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Schulz: Spukhafte Fälle aus meiner Familiengeschichte. 257
gelegt werden, fielen derartig wunderlich, dass Schwester
Mariechen nur das Traurigste für mich und meine Familie
herauszulesen im Stande war. Eine, schreckliche Aussicht
für unsere nächste Zukunft, wenn darin auch nur ein
Fünkchen Wahrheit enthalten war. Leider Gottes! war
alles Gesagte reine Wahrheit und ist buchstäblich
eingetroffen. Von dem Prophezeiten will ich nur, um nicht
langweilig zu werden, bemerken, dass für mich „Krankheit
bis mit beiden Beinen ins Grab", wie der Ausspruch
lautete, und viel anderes, aber nur recht Schlimmes
prophezeit wurde* So hatte ich mir diese Kartenlegerei,
die im November des Jahres 1849 stattfand, wahrhaftig
nicht gedacht. Nun kam das Weihnachtsfest und der
Jahresschluss heran, ohne dass sich bei uns etwas geändert
hätte, und der Kartenprophetie wurde nicht weiter,
wenigstens nicht von mir gedacht.
Nachdem das Weihnachtsfest wie immer in der Familie
gefeiert war, wurde ich von meinem Schwager, der, nachdem
er das hiesige Theater, wo er als erster Bassist jahrelang
engagirt war, verlassen und in hiesiger Stadt Leipzig eine
grosse Restauration („Zum Weltumsegler", Titel einer
Oper, in der er eine glänzende Partie immer mit viel Glück
gesungen,) gegründet hatte, wurde ich von demselben zum
Sylvesterschmaus eingeladen, was ich auch auf Zureden
meiner Frau, die ja der Kinder wegen zu Hause bleiben
musste, annahm. Nachdem ich dort einen sehr heiteren
Abend in lieber Gesellschaft verlebt, das neue Jahr nach
alter Weise feierlichst begrüsst hatte, ging ich nach
genossenem Frühkaffee friedlich und ordentlich nach Hause,
um nun auch meinem lieben Frauchen aufs schönste zu
gratuliren. Als ich mich niedergelegt hatte, überfiel mich
pötzlich ein so starker Frost, dass er, trotz mehrfach auf
mich gelegter Betten, nicht zu bannen war. Jetzt schickte
meine Frau in unsere medicinische Redaktion, von wo aus
auch gleich die Herren Professoren Winter und Streibel zu
meiner Hilfe bereitwilligst herbei eilten. Bei dieser ersten
Untersuchung fanden die Herren, dass noch nichts mit
Bestimmtheit festzustellen, aber der ganze Körper mit
unzähligen rothen Punkten übersäet sei, und versprachen,
auf den Nachmittag wieder zu kommen. Die Herren
erschienen am Spätnachmittag wieder und konstatirten nun,
dass ich auf krasse Art von Blattern überfallen war. Das
wurde ein so schweres, langwieriges Leiden, dass ich mir
zu Pfingsten eine polnische Pelzmütze kaufen musste, denn
ich hatte alle Haare verloren. Nachdem ich das Bett
wieder verlassen durfte, musste ich im Zimmer erst wieder
Psychische Studien. Mai 1893. 17
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