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340 Psychische Studien. XX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1893.)
versteht von der erkenntnisstheoretischen Frage, um welche
es sich dabei handelt, (um einen Ausdruck zu gebrauchen,
der vor kurzem von Prof. Dr. L. Büchner in einem hier
gehaltenen öffentlichen Vortrag auf die Naturheilkunde des
verdienten Pfarrers Kneipp angewendet wurde,) ungefähr so
viel „wie eine Kuh vom Lantensehlagen." Denn abgesehen
davon, dass jener berühmte Satz, wenn er tautologiseh
wäre, nur besagen könnte, dass alles Sein eben auf
Denken beruhe, also die spiritualistische Weltauffassung
begründen müsste, wonach auch der Schein tiner Materie
lediglich auf der Wirkung von Geisteskräften beruhen würde,
so verkennt, wer dies meint, den ungeheuren Fortschritt,
welchen die Philosophie, und damit überhaupt die Wissenschaft
der Neuzeit, dadurch machte, dass es ihr nun erst
zu klarem Bewusstsein kam, wie die Gewissheit unserer
eigenen Existenz in letzter Instanz auf der Thatsache
unseres Denkens und Wollens beruht, und dass es daher
keinen Werth haben konnte, deductiv über das Wesen
„Gottes** oder der „Natur" zu speculiren, ehe unser eigenes
Erkenntnissvermögen erforscht war, was dann Kant gethan
hat, indem er in seiner „Kritik der reinen Vernunft" die
Grenzen unserer Erkenntniss für immer nachwies.
Um jedoch wieder auf die erwähnten (besonders von
du Prel und Äksakow des Näheren begründeten) occultistisch-
spiritistiscben Theorien der Gegenwart zurückzukommen, so
bleiben allerdings solche Voraussetzungen, vollends wenn
sie allem bisherigen „exacten44 Wissen zu widersprechen
scheinen, selbstverständlich völlig werthlos, so lange sie nicht
ihre Bestätigung durch experimentell bewiesene Thatsaehen
erhalten. Nun liegt aber die Sache keineswegs so, wie es
in jenem Artikel dargestellt ist, dass es sich bei solchen lediglich
um Taschenspielerkunststückchen verschmitzter, gewerbsmässiger
Medien handelte, die natürlich schon von vornherein
wenig Vertrauen einflössen können. Ganz abgesehen davon,
dass die angeblichen Entlarvungen der berühmtesten
„Medien" von den Spiritisten grösstentheils geleugnet, resp.
auf unbewusste, möglicher Weise von lügenhaften Poltergeistern
dem in Trance befindlichen Medium suggerirte
Handlungen zurückgeführt oder sonstwie erklärt werden
(worüber die Nachweise eben in der spiritistischen Litteratur,
die man studiren muss, um darüber urtheilen zu können,
sich finden), so haben die bedeutendsten antispiritistischen
Taschenspieler selbst erklärt, dass es ihnen unmöglich sei,
einzelne der bei echten Medien (den mittelalterlichen Hexen)
erzielten Erscheinungen unter den gestellten Bedingungen
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