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du Prel: Giebt es Wamungsträume?
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auf diesem Gefühlswerthe dieser Visionen, dass sie über
die Empfindungsschwelle hinübergreifen, die das transscen«
dentale Bewusstsein vom Gehirn bewusstsein trennt.
Die Mehrzahl der Wahrträume betrifft also den
eigenen Lebenslauf und in diesem die wichtigen Ereignisse,
vor Allem den Tod des Träumers. Dies zieht sich dureb
die ganze Literatur aller Zeiten und aller Völker. Berühmt
'ra Alterthum war die Vision des Brutus, der in seinem
Zelte schlafend seinen bösen Genius sah, der ihm verkündete
: — „Bei Philippi sehen wir uns wieder !kt — Dieser
Genius war wohl nur die Dramatisirung des eigenen
Fernsehens, nicht anders, als bei dem General Pelleport,
der in seinen Memoiren erzählt, er habe vor der Schlacht
von Eylau eine reich gekleidete Dame gesehen, die ihm
verkündete, er würde schwer verwundet, aber doch gerettet
werden. In der Schlacht erhielt er dreissig Säbelhiebe,
wurde aber hergestellt.1) — Professor Taubmann, kurz vor
seinem letzten Krankenlager, aber noch vollständig gesund,
erwachte aus dem Schlaf und sah neben seinem Bett
einen Sarg; in dem Todten, der darin lag, erkannte er
sich selbst, worauf der Sarg verschwand. Er erzählte
diesen Traum verschiedenen Freunden und starb bald
darauf im 48. Lebensjahre2) — an der autohypnotischen
Vorstellung seines Todes, wie hier die Gehirnpsychologen
sagen würden. — Ein anderes Beispiel, wo die Vision auch
der Mutter sich mittheilt, erzählt der Naturforscher Linne
in seiner „Nemesis divina": — Probst Nissel hatte viele
Kinder. In einer Nacht sah seine Frau ein Kind herein
kommen und ein weisses Tuch in das Fach der vierzehnjährigen
Tochter legen. Die Frau rief ihrem Mädchen, ob
es schlafe, worauf dieses erzählte, sie habe gesehen, wie
ein kleines Kind ihr Leichenhemd in ibr Fach lege. Am
anderen Tage ging das Mädchen aus dem Haus, um den
Lehrer zum Essen zu rufen, und da sie eine Elster auf
dem Baume sitzen sah, forderte sie ihn auf, darauf zu
schiessen. Der Lehrer nahm die Büchse, der Hahn ging
nieder, und der Schuss traf das Mädchen, welches starb.3)
— Die Fürstin Ragozky träumte in Warschau vor ihrer
Abreise nach Paris, in einem ihr völlig fremden Zimmer
zu sein, wo ihr ein völlig fremder Mann aus einem Becher
zu trinken anbot. Sie wollte ablehnen, aber er wiederholte
seine Bitte mit den Worten, es sei das der letzte Trunk
l) Srierre de Boismont: — „Des haliuemations." 493.
*) Borst: — ,.Deuteroskopie."
3) Perty: — „Der neuere Spiritualismus." 298.
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