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Karze Notizen.
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wirklich ist, längst erkannt haben: als den grössten Humbug
des neunzehnten Jahrhunderts! Wozu also eine Schrift über
ein solches Thema, bei dessen blosser Nennung uns schon
die Schamröthe über die Verirrung eines Theiles der heutigen
Menschheit ins Gesicht schiessen muss?" — So und ähnlich
mag gar mancher ausrufen, wenn er den Titel dieser Schrift
liest, — Trotzdem sage ich, dass wir von vornherein, das
heisst, ohne geprüft zu haben, den Spiritismus nicht verwerfen
dürfen, weil er einen Widerspruch in sich nicht
enthält. Wenn jemand von viereckigen Kreisen und
hölzernem Eisen etwas erzählt, so kann man von vornherein
erklären, dass es Unsinn sei: denn ein Viereck kann kein
Kreis, Holz kann kein Eisen sein. Einen derartigen
Widerspruch enthält der Spiritismus aber nicht, sondern er
stellt nur eine von der geläufigen ganz abweichende Weltanschauung
auf. Da aber dieser Weltanschauung augenblicklich
nicht nur viele Millionen Menschen huldigen,
sondern selbst manche hochbegabte und hochgebildete
Männer aller Berufszweige, so dürfte es sich doch wohl
lohnen, diesem Thema einmal kritisch näher zu treten, zumal
da das letzte Wort über die hier in Frage kommenden
Gebiete noch durchaus nicht gesprochen ist und so bald
auch wohl nicht gesprochen werden wird. Unter Spiritismus
im weiteren Sinne versteht man den Glauben, die Ueber-
zeugung, dass verstorbene Menschen, sowie andere intelligente
aussersinnliche Wesen sich den lebenden Menschen unter
gewissen, jedoch augenblicklich noch nicht vollständig zu
übersehenden Bedingungen bemerkbar machen und in
beschränkter Weise auf unsere Erscbeinungswelt einwirken
können. Als eine der wesentlichsten dieser Bedingungen
sehen die Spiritisten die Anwesenheit eines sogenannten
Mediums an, eines Menschen, welcher ganz besondere ihm
eigentümliche Kräfte oder Stoffe aus seinem Organismus
auszulesen vermag, welche dann von fremden Intelligenzen
in äquivalente andere Kräfte der Art umgesetzt werden,
dass sich physikalische Erscheinungen, wie Klopflaute,
Lichteffecte, Aufhebung der Schwerkraft und dergleichen
ergeben; dass ferner eine physische Umwandlung des Mediums
eintritt, vermöge deren sich unbewusstes Sprechen oder
Schreiben einstellt, noch dazu eines Inhalts, welcher nicht
nur vernünftig ist, sondern oftmals sogar die normale
intellectuelle Kraft des Sprechenden oder Schreibenden
weit übersteigt. Den höchstgradigen Medien wird die
Fähigkeit zugeschrieben, Erscheinungen menschlicher
Gestaltung, sogenannte Materialisationen hervorzurufen,
welche ihrerseits wiederum nicht nur sprechen, schreiben
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