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Kurze Notizen. 367
zurückkehren durfte, aus der Stadt brachte. Während seiner
Gefangenschaft hatte sich Gundermann^ Gattin aus Verzweiflung
erhenkt, wovon der Verwiesene erst unterwegs,
nach seinem Heimathsorte Kahla, zufällig Nachricht erlangte.
Sein unglückliches Weib zeigte sich nach dem
Volksglauben immer kurz vor dem Tode eines
Superintendenten als Gespenst, so noch in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo binnen
zwanzig Jahren drei Superintendenten, Deyling,
Stemmler und Bahrdt starben. Seit dieser Zeit hat die
spukende Pfarrfrau die Lebenden in Ruhe gelassen. . . .
Die Leipziger Theologen fuhren in der Oalvinistenhetze
fort. Der Bildungsstand des Volkes befand sich damals
auf so niedriger Stufe, dass es überlegener Geisteskraft
leicht möglich wurde, es zur Wuth aufzureizen und ihm
die Bahn derselben vorzuzeichnen. Ueber die Befangenheit
jenes Zeitalters berichten noch viele Ueberlieferungen, so
über ein Katzengespenst im Jakobslazareth, blutende
Hirschgeweihe, ferner zaubernde Todtengräber,
Selbstumwendung der dreifachen Sanduhr in
der Rathsstube und andere auf Unwissenheit, Betrügerei
und albernem Geschwätz beruhende Ungeheuerlichkeiten.
Hierzu kamen Spottlieder, Schmähschriften und Erzählungen
auf der Bierbank und dazu noch die Hetzereien von der
Kanzel! Auf diese Weise bedurfte es nur eines Anstosses,
um den Groll des niederen Volkes zum offenen Ausbruch
zu bringen, der gegen den seit 1585 in Leipzig niedergelassenen
» aus der Schweiz gebürtigen Kaufmann Adolf
Weinhausen im Eckhause am Salzgässchen gegenüber dem
Rathhause am 19. Mai 1593 wirklich stattfand, indem man
sein Haus zerstörte, seine Weine austrank und die Verdächtigen
auch anderer Häuser verfolgte, bis endlich der
Rath sich herbeiliess, achtzehn der des Cryptokalvinismus
Verdächtigen aus der Stadt zu verweisen. Jetzt erst befahl
der Landesadministrator Untersuchung des Handels und
Bestrafung der Aufrührer, von denen vier Rädelsführer
auf dem Markte enthauptet wurden, aber doch ein ehrliches
Begräbniss erhielten. (Das Nähere berichtet der Leipziger
Schriftsteller Otto Moser in seinem Referate der 1. Beil. z.
„Leipziger Tageblatt" Nr. 94 v. 2t. Februar 1893, S. 1236.)
Wir erachten jedoch seine obigen Mittheilungen über
Gespenstererscheinungen und sonstige sonderbare Vorgänge
nicht für auf blosser Unwissenheit, Betrug und albernem
Geschwätz beruhende Ungeheuerlichkeiten, sondern für in
erregter Zeit sehr gut mögliche mediumistische Kundgebungen
der aus ihrem Gleichgewicht gestörten Gemüther
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