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398 Psychische Studien. XX. Jahrg. 8, Heft. (August 1893.)
Falle allerdings ein vorübergehender Nachtheil entstand,
als ich nämlich ausnahmsweise das Heft aus der Hand
gab und den anwesenden Medicinern die Leitung überliess,
wobei denn durch eine einzige ungeschickte Suggestion die
Versuchsperson einen zweistündigen Schüttelfrost davon
trug, der sogar posthypnotisch anhielt. Nicht mich also
trifft der obige Vorwurf, sondern nur jene Leute, welche
unsere ganze Seelenlehre wie durch falsche Weichenstellung
auf das physiologische Geleise verfahren haben, und durch
alberne Behauptungen, wie z. B. dass die Hysterie Voraussetzung
der Hypnose sei und durch sie gesteigert werde,
oder gar dass die Hypnose künstlich erzeugter Blödsinn
sei, im Publikum falsche Ansichten verbreiten und dadurch
uns angeblichen Laien das Auffinden von Versuchspersonen
erschweren, weil diese geschädigt zu werden fürchten, was
sie in den Händen der angeblichen Fachleute allerdings
werden. Jene Leute trifft der Vorwurf, welche, obwohl sie
alle Gelegenheit hätten, Versuchspersonen zu finden, und
denen nie ein Hinderniss in den Weg gelegt würde, doch
auf alle transscendentale Psychologie verzichten, weil sie
das Räthsel des Menschen auf dem Wege der Thierschinderei
losen zu können glauben und nur von der physiologischen
Psychologie alles Heil erwarten, welche nicht nur ein
Holzweg ist, sondern eine Sackgasse noch dazu.
Um zurückzukommen, so sind also die psychische
Erregung, die innere Aufwühlung, quälende oder sehnsüchtige
Gedanken als Autosuggestionen ein günstiger
Boden für das spontane Eintreten fernsehender Träume;
und dass das Fernsehen überhaupt aus diesem Willensgrunde
herauswächst, zeigt sich schon darin, dass der Blick
des Sehers immer zugespitzt auf den Gegenstand seines
Interesses gerichtet ist, und dass er diesen Gegenstand aus
dessen Umgebung isolirt heraushebt. So fragt z. B. Kerner
seine Somnambule: — „Sie sagten letzthin, die Jungfer 0.
gehe auf der Strasse m einem weissen Kleide. Sahen Sie
da die ganze Strasse und ctfe anderen Menschen auf ihr
auch zugleich?" — Worauf die Somnambule antwortet: —
„Nein! nur Jungfer 0. allein, so auch nur den Herrn
Apotheker, nicht die Apotheke."1) — Auch beim Blick auf
den eigenen zukünftigen Lebenslauf wird meistens nur ein
vereinzeltes Ereigniss geschaut, oder auch ein Gegenstand,
der das Ereigniss meldet, z. B. die eigene Grabschrift. Ein
Fall dieser Art, der durch kriegsgerichtliche Protokolle
beglaubigt ist, ist folgender: — Eduard von Neuval, als
*) Kerner: —- „Geschichte zweier Somnambulen." 292,
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