http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0480
474 Psychische Studien. XX. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1893.)
blutige Kampf vor dem Waffenstillstände vom 4, Juni 1813
am 31. Mai getobt hatte und an 3000 Russen, aber angeblieh
noch mehr Franzosen und Württemberger gefallen waren.
Die gegen 1000 Fuss hohen Rosener Vorberge waren
damals ganz von den Russen besetzt und bildeten die letzte
feste Brustwehr und den unerschütterlichen Felsenwall gegen
die nach der Schlacht bei Bautzen von Görlitz, Lauban,
Löwenberg, Bunzlau, Haynau und Lieguitz her sich nach
Schlesien bis Breslau hereinwälzenden Napoleonischen
Heerhaufen. Das verbündete russische und schlesische Heer
war ganz an die Gebirgsseite von Jauer an bis Glatz hinab
zurückgedrängt und besass dort nur noch die Festungen
Schweidnitz, Silberberg, Kosel und Glatz. Unmittelbar hinter
diesen schützenden Rosener Bergen lagen meine Geburtsstadt
Bolkenham und meine Elternstadt Striegau. Diese
Berge waren daher stets für mich von besonderem Interesse.
Aber sie sollten auch eine persönliche Bedeutung für mich
gewinnen und eine Art Schicksalswendung in meinem Leben
herbeiführen, die mit der Erzählung meiner Mutter vom
Leuchter in Hennersdorf vor meiner Geburt 18 54 und mit
dem Schreckgespenste zu Jariscbau 1844 und mit den
überall dort befindlich gewesenen Russen in einer gewissen
geistigen Verknüpfung sich befand. Es war Ende September
1848, als ich mit meinem Vater und meiner Mutter meine
erste grosse Fusswanderung von Striegau aus über Fegebeutel
dieselbe Strasse, welche Friedrich^ des Grossen
äusserster rechter Flügel mit Reiterei zwischen der Nordseite
der drei Striegauer Berge und dem Streitberge in der
grauenden Morgenfrühe des 4. Juni 1745 auf Pilgramshain
zu links ab marschirt war, um dort die für ihn so glorreich
endende Schlacht von Hohenfriedberg und Striegau
mit den Sachsen und Oesterreichern zu beginnen, deren
hundertjährigen festlichen Gedenktag ich als Schulknabe im
Jahre 1845 zu Striegau mit hölzerner Lanze und Säbel
im Schützenzuge mit gefeiert hatte, nach Jauer und Liegnitz
zu antrat, um von dort in Begleitung meiner Mutter, die
mich zuvor an alle Stätten ihrer an beiden Orten zugebrachten
Jugendjahre geführt hatte, mit der damaligen
Rosemann1 sehen Journaliöre meinen Bestimmungsort Gross-
Glogau, vor dessen Festung mein Grossvater 1813 hatte
schanzen helfen müssen,*) durch die berüchtigte Lübener
und Polkwitzer Haide nach 16 stündiger Fahrt zu erreichen,
woselbst ich das Gymnasium als schon präparirter, an-
* gehender geistlicher Stipendiat weiter besuchen sollte. Mein
•) Vgl. „Psych. Sfcud," Mai-Heft 1892, S. 208 ff.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1893/0480