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480 Psychische Studien. XX. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1893.)
Jägerblick eines Bauren-Knabens; No. 60. von der boshafften
Gauckel-Jagd des Satans, und in andern Nummern von
andern dergleichen Spuckereyen. Der ehrliche Mann hat
sich manches Mährlein auf den Ermel hefften lassen, und
hernach in diesem Buche mit Theologischen Warnungen
angewendet, so eben nicht sonderlichen Stich hält, oder
andächtige Erbauung giebt; unter dessen passiren doch in
Wahrheit sehr öfters nicht nur in Kirchen und Olöstern,
sondern auch in Land-Wirths-Häusern, Strassen und
Waldungen solche Abendtheuer, die auch einom sogenannten
Esprit fort [Starkgeiste]*) innerliche Angst abnöthigen, oder
den besten Philosophen die Untersuchung so schwer, als die
Quadraturam Circuli [die Viereckigmachung des Kreises],
machen. Was weyland dem berühmten Prof. Becmann auf
der Franckfurter Bibliothöque begegnet, ist notorisch. Dass
es auf dieser oder jener Strasse spucken sol, wird von viel
hundert erfahrnen Leuten versichert. Ich glaube, hieher
gehöre der in etlichen Schlesischen Fürstentümern bekannte
Nacht-Jäger, sonderlich in denen Gegenden, wo
.Reliquien von Heydnischem Götzendienst und Leichen-
Brande zu verspüren. Bey de* Sache selbst muss man
wegen vieler Umstünde sehr behutsam gehen, sie zu bejahen
oder zu verneinen. Sie widerspricht gemeiniglich der
gesunden Yernunfft und eigensinnigen [exakten] Untersuchern.
Hingegen bekräfftigen uns solche sehr viele Personen mit
grosser Handgreifilichkeit und oft Personen, die wir keiner
Lügen oder fabelhaften Zusatzes beschuldigen sollen, ob sie
gleich bey ihrem hohen Character auch gerne neben der
Wahrheit vorbey spatziren, und der vorgebrachten Fabel
keinen andern Beweiss zu geben wissen, als das unwider-
sprechliche Ansehen des Erzehlers. So gehet es auch bey
der Legende vom Schlesischen Nacht-Jäger. Viele
vornehme Cavaliers, Geistliche, Amtleute, Passagiers, und
Landwirthe wollen ihn mehr als einmal gehöret haben, recht
auf die Art, wie Erasmus Francisci sein wüttendes Heer
beschreibet. Nun kann es auch seyn, dass der böse Feind
durch göttliche Zulassung hierbey unter den Kindern der
Finsterniss sein Spiel hat. Es kan seyn, dass Furcht und
Schrecken die Sache grösser macht, als sie an sich selbst
ist. Es kan seyn, dass natürliche Umstände der Zeit, des
Orts, der Witterung und auch menschlicher Schelmereyen
mit unterlaufen Wer also alles blindlings glaubt, wird
*) Die Einschaltungen in Eckklammern stehen nicht im Original,
sondern sind Zusätze des geistlichen Herrn Einsenders. —
Gr. C. Wittig.
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