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488 Psychische Studien, XX. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1893.)
II. Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
Giebt es Warnungsträume?
Von Dr. Carl du Prel.
VI.
(Schlnss von Seite 448.)
Zu den vielen Unerklärlichkeiten im Spiritismus gehört
die Sorge der Verstorbenen um ein ordentliches Begräbniss.
Wenn es nun aber den Angehörigen ganz unbekannt ist,
dass etwas versehen wurde, und sie werden davon im
Traum in Kenntniss gesetzt, so ist es schwer, die Inspiration
abzuweisen: — Ein ertrunkenes, irisches Frauenzimmer
wurde bei Spithead ans Land getrieben und in Ryde auf
der Insel Wight begraben. Nach vierzehn Tagen kamen
die armen Eltern und verlangten vom Leichenbesorger gegen
Ersatz der Kosten zurück, was ihre Tochter bei sich
getragen, worauf dieser durchaus nicht einging. Die Eltern
gingen nun auf den Kirchhof, und die Mutter lag einige
Zeit still betend auf dem Grabe, dann entfernten sie sich.
Nach etwa drei Wochen kamen sie wieder zurück und
klagten den Leichenbesorger an, dass er ihre Tochter ohne
Sterbekieid begraben habe. Sie sei ihnen im Traum
erschienen, und habe sich über seine Ruchlosigkeit und
seinen Geiz und über die erlittene Entwürdigung beklagt,
die sie nicht zur Ruhe kommen lasse. Das Weib, welches
ein Sterbekleid gekauft hatte, grub mit den Händen und
mit Hilfe ihres Mannes den Sarg aus, öffnete ihn und
bekleidete den nackten halbverwesenen Leichnam. Der
Leichenbesorger gab nun, von Scham überwältigt, das
Eigenthum der Tochter zurück.1) — Der Arzt Mayo
erzählt, dass 1848 der Gärtner Smith vermisst wurde. Hut
und Stock desselben wurden am Ufer des Tweed gefunden,
der mit Schleppnetzen vergeblich durchsucht wurde. Da
träumte in einem benachbarten Dorf ein Mann, dass Smith
an einer bestimmten Stelle im Fluss mit gebrochenem
rechten Arm liege. Er erzählte den Traum dem Fährmann,
verlangte ein Boot, und die Leiche wurde mit gebrochenem
rechten Arm heraufgezogen.2) — Die lange Reihe ähnlicher
*) Periy a. a. 0. II, 394.
2) Mayo: — „Wahrheiten im Volksaberglauben." 72«
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