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522 Psychische Studien. XX. Jahrg. 11, Heft. (November 1893.)
Vorhang hinter ihr zuging, hob ich den Seitenvorhang und
steckte meinen Kopf in das Innere des Oabinets. Hier
erblickte ich nur noch eine weisse, etwa einen halben Meter
hohe Lichtwolke, welche zusehends kleiner wurde und
schliesslich auf dem Erdboden sich in Nichts auflöste. —
Im zweiten, etwas belichteten Theile dieser Seance „wurde
es dem Berichterstatter an dem Schimmer der Wand
möglich, genau im Rahmen dieses (durch die Thüre fallenden)
Lichtscheines den Umriss und damit auch die Bewegungen
des Mediums zu beobachten., Ich war nun Augenzeuge eines
Vorganges, der wahrscheinlich von keinem anderen Theil-
nehmer beobachtet worden sein wird. Es erschien nämlich
ungefähr zwei Schritte vor dem Medium auf dem Pussboden
eine kleine, weisse Masse, welche immer grösser werdend
schliesslich menschliche Formen annahm, aber bei ziemlicher
Vollendung immer wieder in sich zusammenfiel. Plötzlich,
und das ist, was ich beobachtete, erstand direct vor dem
Stuhle des Mediums, so dass es den Anschein hatte, als
erhebe sich das letztere vom Stuhle,*) eine schwarze Gestalt,
welche langsam vorschwebend in die mittlerweile wieder
grossgewordene Lichtsäule hinaustrat und nunmehr als eine
stattliche Dame in lichthellem Gewände, wie im ersten
Theile der Sitzung, erschien. Von meinem Platze aus
konnte ich in dem erwähnten Rahmen des Lichtscheines an
der Wand erkennen, dass das Medium noch auf seinem
Stuhle sass. Diese Gestalt verschwand in der Weise vor
den Augen der Theilnehmer, dass der Oberkörper sich vom
Unterkörper loslöste und gegen das Cabinet hinschwebend
sich in der Luft auflöste, während der Unterkörper immer
kleiner werdend auf dem Pussboden verschwand. Ich war
gerade wieder im Begriff, den Vorhang des Oabinets neugierig
zu heben, als eine Gestalt in Grösse eines 5 jährigen
Kindes, aber mit unverhältnissmässig grossem Kopfe, genau
erkennbar, da sie vollständig hell war, aus demselben auf
mich zukroch und mit ihren beiden Händen mein rechtes
Bein ergriff und einige Secunden betastete. Hierbei bemerkte
ich, dass mein Nachbar, Herr Stossmeister, sich niederbeugte
und den Kopf des Phantoms befühlte. Letzteres verschwand,
rückwärts kriechend, im Cabinet. Bei allen diesen Manifestationen
machte sich eine eisige Kälte fühlbar, weiche
aus dem Cabinet herauszukommen schien. Zum Schluss
will ich noch konstatiren, dass, wenn die Erscheinungen auf
*) Eine Beobachtung, welche auch Herr Dr. Egbert Müller, der
neben mir zur Linken meines linken Nachbars Herrn Nordmark in der
Mitte der ersten Sitzreihe sich befand, gemacht hat, wie nachfolgendes
Schreiben desselben sab Nro. IX an mich bezeugt. — Gr. C Wütig.
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