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548 Psychische Studien. XX. Jahrg. 11. Hett. (November 1893.)
kündige sich durch eine innere Bewegung an, welche die
unteren Theile des Körpers zuerst verspüren. Wenn diese
Bewegung bis zur Brust gestiegen sei, dann müsse er zu
denken anfangen, und nun folgen rasch mehrere starke
Stesse unmittelbar auf einander, worauf alles sprudelnd aus
ihm herausstürze, bis er später zu einem ruhigen Ueberblick
darüber gelange. Seine Erscheinung war dann eigenthümlich
gehoben und von mächtiger Wirkung, die »Sprache auf
einmal schöner als sonst, voll Schwung und doch ganz
verstandeshell(1, 223). Ganz dieselbe körperliche Ankündigung
der prophetischen Ergüsse hat — allerdings auf
Grund historischer Quellen — Tieck bei den Verzückungen
der Gamisards im 'Aufruhr in den Oevennen' geschildert: —
'Wie die Kleine sich so würgte, fing ihr an der Leib aufzuschwellen
, sie fiel auf die Erde, die Brust klopfte und
hob sich, und plötzlich hörten wir einen ganz fremden Ton/
— Oder ein andermal: — 'Das Kind erhob die Brust,
bäumte sich und Hess sich dann niederfallen, und ich glaubte
deutlich die willkürliche Anstrengung wahrzunehmen.' —
Genau so hat bei Rehmer selbst einer der Getreuesten, der
Maler Bruckmann, von solchen Momenten 'regelmässig einen
objectiv unwahren Eindruck' empfangen. Schwerlich mit
Recht; die Wiederkehr der gleichen körperlichen Symptome
auf den verschiedensten Gebieten des Prophetenthums
beweist, dass hier viel eher ein pathologischer Zustand als
willkürliche Verstellung vorliegt. Döllinger berichtet, dass
ein arabischer Autor 'eine Art Naturgeschichte des
Propheten thums' gebe. 'Sie empfangen ihre Offenbarungen
theiis plötzlich und unvorbereitet, theils erst, nachdem sie
sich dazu disponirt haben. Im Moment der Mittheilung
befinden sie sich im Zustande der Verzückung, der umgebenden
Aussenwelt entrückt; man hört ein halblautes
Seufzen oder Keuchen.' — Bei Muhammed steigerte die
körperliche Vorbereitung der Visionen sich bis zu
epileptischen Anfällen; ähnlich war es bei den ersten
Quäkern. Nun ist nicht zu bestreiten, dass das entzückte
Gefühl solcher Momente, die Berauschung, die den Himmel
offen sieht, in all diesen Propheten, Camisarden und Quäkern,
Muhammed und Friedrich Böhmer, das Bedüriniss nach
Wiederholung erwecken wird; sie können die Halluciua-
tionen zuletzt so wenig entbehren, wie der Opiumtrinker
den Opiumrausch. Dann tritt das Geiäliriiche ein; — sie
'montiren* sich künstlich, sie setzen sich gewaltsam in
Schwingung, — und sie reden sich zuletzt krampfhaft in
die Gefühle hinein, die sie einst wirklich empfunden haben.
[Aber doch wohl nicht alle und nicht immer 1 — Bei'.] Hier,
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