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578 Psychische Studien. XX. Jahrg. 12. Heft. (December 1893.)
Haupte und in der Hand einen grünen Zweig haltend,
gekommen, sei auf ihre Lade getreten und einem neunjährigen
Kinde ähnlich gewesen. Das Engelehen habe aber zu ihr
gesagt: — „Ich bin nicht Jesus, sondern dessen himmlischer
Vater schickt mich zu Dir, ich bringe Dir gute Post!" —
Dann habe er noch gesagt, der himmlische Vater, der zuvor
geweint, lache jetzt wieder, weil Etliche von ihren Sünden
abgelassen. Sie solle aber dem Kurlürsten sagen, wie das
Rauten kränzlein auf seinem Haupte blühe, so werde auch
sein Haus grünen und blühen, dafern er vom Kaiser ablassen
werde. Dann sei auch noch der alte Mann gekommen,
habe sie bei der Hand genommen und zum Gebete ermahnt,
ihr aber auch etwas gesagt, was sie nur dem Kurfürsten
selbst berichten dürfe. Dies scheint aber nicht geschehen
zu sein." — Soweit der Bericht.
Nun wer weiss, ob es nicht dennoch geschehen ist?
Die Geschichte giebt uns hierüber doch wohl einigen
Aufschluss. Die hohe Politik richtet sich zwar nur selten
nach den Wünschen des Volkes, aber der damalige Kurfürst
von Sachsen Johann Georg 1. (1611—1656) paktirte dennoch
mit den ihm verhassten Schweden auf Wunsch seines protestantischen
Volkes gegen den lömischen Kaiser im Waffenstillstände
zu Kötzschenbroda bei Dresden, den 27. April
1645. 11 Jahre vorher hatte er in den Vergleichsverhandlungen
zu Pirna am 24. November 1634 und im Prager
Friedensschlüsse vom 30. Mai 1635 gegen Aufhebung des
Restitutions-Edicts zur Vertreibung der Schweden aus
Deutschland kräftig mitzuwirken dem Kaiser versprochen
und dafür als Lohn das unwiderrufliche Erbrecht auf das
bisher nur in unterpfändlichem Besitz gehabte Markgrafenthum
der beiden Lausitzen mit allen Obrigkeiten, Hoheiten,
Regalien, Titeln und Wappen erworben, wobei er für sich
und seine Nachkommen die katholische Religion sammt den
Stiftern und Klöstern der Lausitz in allen hergebrachten
Rechten und Freiheiten zu schützen und zu erhalten versprochen
» Daher der innere Widerstand seines lutherischen
Volkes gegen diesen seinen Bund mit dem Kaiser.
Wir möchten aber diese Mittheilungen der Frau
Vllmannin dennoch zum grösseren Theile als aus somnambulvisionären
Zuständen entsprungen betrachten.
In „Sachsens Voikssagen. Balladen s Romanzen und
Legenden4* von Widar Ziehneri. 5. Aufl. Nebst einem Anhang,
enthaltend 146 Sagen in Prosa. (Annaberg. Rudolf Dieterici,
IbSü) XVI und 537 S. 8° — findet man auf S. 46U im
„Prosaischen Anhang4' sub 29 noch folgende Sage, betitelt:
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