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598 Psychische Studien. XX. Jahrg. 12. Heft. (Deeember 189S.)
und widernatürlichen Hypothesen, wie das abergläubische
Volk, sogleich ihre Zuflucht nehmen? — Ref er.] Es ist ja
auch wirklich ein Erfolg, der nachweislich durch andere als
natürliche Ursachen und anders als den Naturgesetzen
gemäss herbeigeführt worden wäre, mit einem Wort ein
'Wunder', zwar noch nie [?] von solchen beobachtet worden,
die nicht vorher schon an Wunder glaubten; wo dagegen
dieser Glaube noch lebendig ist, wo man nicht blos annimmt,
es seien nur ehedem Wunder geschehen, sondern auch es
geschehen deren noch immer [!], da fehlt es nie an Personen,
die Wunder erlebt zu haben überzeugt sind. [Als ob
„Wunder" nicht blos seltsame und aussergewöhnliche Erscheinungen
im sonst gewöhnlichen Verlaufe der Dinge und
Ereignisse wären, der an sich selbst schon das grösste
Wunder ist, das uns in beständige Verwunderung und
Bewunderung versetzen sollte?! Aber unsere Gelehrten sind
geradezu abgestumpft für dieses Wunder, das ihnen zum
blossen Mechanismus geworden ist, und glauben, die Natur
und der sie beseelende Geist könnten und dürften nur so
wirken, wie ihr augenblicklicher beschränkter Verstand
gewisse vermeintlich allgemein geltende Gesetze aus einer
kleinen Reihe von Beobachtungen abstrahirt und aufgestellt
hat. Die Natur soll sich nach ihnen richten, md nicht
umgekehrt sie sich nach der Natur! — Ref er.] Selbst in
unseren Tagen, in unserer Culturwelt, sind ja die vermeintlich
selbsterlebten Fälle von Heilungen durch Amulette oder
Besprechung oder wunderkräftiges Wasser, oder durch die
Berührung von Reliquien, die zuweilen sogar unecht sind,
keineswegs nur auf die ungebildeten und unwissenden
Volksklassen beschränkt, sondern geistliche Corporationen
und hohe kirchliche Würdenträger bezeugen, und gewiss in
gutem Glauben, dass ihnen solche Fälle aus eigener Erfahrung
bekannt seien, [Wenn doch Herr Prof. Zeller die neuere
Psychologie und die Erscheinungen des Hypnotismus und
des Mediumismus, zum tieferen Verständniss der Wunderheilungen
durch Reliquien, aber auch den menschlichen
Magnetismus und Mesmerismus wie die Statuvolence des
Dr. Fahnestock einmal sorgfältig durchstudiren wollte, anstatt
sich in trivialen Ausfällen, wie diese und die folgenden sind,
zu ergehen!*) — Ref.]; und die Erfolge, deren sich die
Spiritisten und ähnliche Schwindler, zur Schande
unseres Jahrhunderts, besonders in den Ländern englischer
*) Wir empfehlen ihm noch die Leetüre von Prof. J. M. Charcot's
Artikel: — „Der heilende Glaube*' — aus der „Internationalen klinischen
Rundschau44 zu Wien4 in den „Münchener Neuesten Nachrichten**
Nr. 247 v. 31. Mai 1893, —
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