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Wedel: Mystische Erscheinungen in Sage u. Volksaberglauben. 9
mochten zu betäubenden Mitteln greifen, um sieh im
Traume sinnliche Bilder vorgaukeln zu lassen. Andere
konnten derartige Narcotica auch in harmloserer Weise
zur Linderung von körperlichen und seelischen Schmerzen
. gebrauchen, wie solche eine natürliche Folge eines ausschweifenden
Lebens sind. Diese Mittel, welche später
unter dem Namen der „Hexensalbe" eine so traurige
Berühmtheit erlangt haben, bestehen nun, wie die Berichte
jener Zeit zur Genüge beweisen, aus Stechapfel, Bilsenkraut,
Mandragorawurzel und ähnlichen Stoffen. Wer sich ausführlicher
hierüber unterrichten will, lese den Aufsatz von
Wittig: — „Ein Wort für und au die Hexenrichter.'* *) —
Es ist eine anerkannte Thatsache, dass diese Kräuter, in
geeigneter Zubereitung eingenommen, das Gefühl des
Fliegens erzeugen können. Hierdurch erklärt sich ganz
ungezwungen die Entstehung des Glaubens an die Hexen-
fahrten. Dass aber durch dieselben auch eine Trennung
des Astralkörpers vom Leibe bewirkt werden kann, ist den
in der mystischen Litteratur Bewanderten nichts Unbekanntes.
Ich erinnere nur an die Berichte über solche Erscheinungen
aus Lappland und Indien. Nach Meyer2) galt es als
Beweis, dass eine Hexe bei seiner höllischen Majestät des
Nachts zu Balle gewesen sei, wenn sie - Morgen über
Müdigkeit und Schwindel klagte. Dies* nrC jedenfalls ein
starkes Zeugniss für die Wirksamkeit aer Hexensalbe.
Durch den fortgesetzten Gebrauch derselben konnte leicht
ein ungeregelter Somnambulismus entstehen, in welchem
sich Subjectives und Objectives regellos und untrennbar
durcheinander mischte. Ferner mögen in einzelnen Fällen
die dem Somnambulismus so nahe verwandten Erscheinungen
des Mediumismus aufgetreten sein; und welcher Erklärung
des letzteren man auch heute sich zuneigen möge, man
wird zugeben müssen, dass jene Zeiten eine Lösung des
Räthsels nur in den bösen Geistern oder im Teufel finden
konnten.3) Nothgedrungen musste in jenen elenden Geschöpfen
der Glaube aufkeimen, dass sie mit Ubernatürlichen
Wesen in Verbindung stünden und von diesen mit übernatürlichen
Kräften ausgerüstet würden. War aber erst
einmal solche Meinung in ihnen entstanden, so werden sie
sicher, ihrer Natur gemäss, diese Macht hauptsächlich zum
Unheile ihrer Nächsten haben benützen wollen. So konnten
*) „Psychische Studien" 1892, S. 389.
2) Meyer: —- „Volksaberglauben des Mittelalters." S. 237.
3) Seür klar werden diese Verhältnisse auseinandergesetzt in den
Schriften du PrePa: — „Die üexenprobe und die Medien" — und —•
„Die Was*erprobe der Hexen,"
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