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60 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 2. Heft, (Februar 1894.)
die Kunst desBannens und Bindens stammen, d. h.
an die Fähigkeit, gewisse Leute, welchen man übel wollte,
derart zu bezaubern, dass sie sieh ohne den Willen des
Zauberers nicht vom Platze rühren konnten. Im Heidenthum
verstanden die G-ötter diese Kunst und vermochten sie
begünstigten Sterblichen zu übermitteln. Später ging sie
auf den Teufel und sein Gefolge über.1) Sie war ein
beliebter Vorwurf, welcher den Hexen und Zauberern
gemacht wurde. Auch die harmloseren Feen besassen diese
Gabe im Volksglauben.2) Vor Diebstahl schützte man sich,
indem man durch „Sympathie" eine gewisse Stelle, sei es
Zimmer oder Garten, festigte; betrat diese nun der Dieb,
so konnte er, wie man glaubte, sie nicht mehr verlassen.
Auch das Wild meinte man auf diese Weise an den Platz
fesseln zu können.3) — Da man über den wahren Grund
der Sache im Unklaren war, so musste sich ein kleiner
Wahrheitskern im Laufe der Jahrhunderte zu einem
mächtigen Baume im Walde des Aberglaubens auswachsen.
Noch müssen wir hier zweier Fälligkeiten gedenken,
welche auch den Hexen, aber nicht ihnen allein, zugeschrieben
wurden: — der Ausübung des Liebeszaubers und der
Macht des bösen Blickes. Die erstere Zauberei wurde
auf zweierlei Art ausgeübt, durch Sympathie und durch
Tränke. Bei der „Sympathie" haben wir es offenbar mit
directer Suggestion zu thun. Im Laufe der Zeit verlor
sich aus dem Geiste der Ausübenden wahrscheinlich gerade
die Hauptsache, die Willensanstrengung, und es blieb
wenigstens in den meisten Fällen nur ein harmloser
Hokuspokus übrig. Anders verhält es sich mit den
„Liebestränken/1 Das waren gewiss in erster Linie Erotica,
welche nicht in den Kreis unserer Betrachtungen fallen.
Immerhin jedoch ist es nicht unmöglich, dass hierbei auch
manchmal ein Verfahren angewendet wurde, welches auf
directe Willensbeeinflussung abzielte. Es war früher
bekannt4) und ist neuerdings wieder nachgewiesen worden,5)
dass in gewissen Stadien der Narkose der Mensch für
Suggestion empfänglich ist. Es wäre also immerhin denkbar,
dass einzelne Liebestränke nichts weiter als Narkotika
*) Vergl. „Faustsage." — [Desgl. „Psych. Stud." Juni-Heft 1883
S. 252 ff. und April-Heft 1893 S. 223. — Oer Sekr. d. RedJ
2) Scott: — „Balladen aus dem Grenzlande" der junge Tamlanc,
Einleitung.
8) Wutlkei — „Volksaberglaube der Gegenwart." [Vgl. S. 67
d. H. Note 5.J
4) Portal — „Magia nat." — Vergl. Rteservetter: — „Geschichte
des neueren Occultismus." S. 133.
*) Schriften für psychologische Forschung. Nr. 1.
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