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68 Psychische Studien. XXL Jahrg. 2. Heft. (Februar 1894.)
kommt ebenfalls schon in der Bibel vor.1) — Der somnambule
Knabe Richard rief einem Dienstmädchen . da& gegen das
Verbot sich ins Krankenzimmer schleichen wollte und eben
die Treppe heraufkam, zu: — „Steh* still!" — Darüber
befragt, erklärte er sich näher; man ging hinaus und traf
auf der Treppe das Mädchen, welches zugab, die Worte
vernommen zu haben; es war ihr unmöglich, einen Schritt
weiter zu thun.2) — In neuester Zeit hat Ochorowicz das
gewagte Experiment gemacht, seine Somnambule, die sich
in einem Anfall zum Fenster hinausstürzen wollte, durch
seinen blossen Willen dahin zu bringen, dass sie anhielt
und langsam zurück wich.3) — Geistige Lähmungen kann
bekanntlich jeder Hypnotiseur bewirken. Da nun aber der
Hypnotismus den Magnetismus zur Voraussetzung hat, dieser
nber fernwirkend ist, so könnte vielleicht auch geistige
Lähmung magnetisch hervorgerufen werden. Die Somnambule
Auguste fC behauptet, ihren Bruder, der ein ihr missfallendes
Stück spielte, durch ihren entgegengesetzten festen Willen
dahin gebracht zu haben, dass er sich mit aller Anstrengung
auf das Stück nicht mehr besinnen konnte4.)
Derselbe Wille kann aber auch fernwirkend zu Handlungen
antreiben. Van Helmont nennt den Willen die erste
und höctiste Kraft und sagt: — „Jene magische Kraft liegt
im Irneren des Menschen verborgen; sie schläft und waltet
wie betrunken in uns. Sie ist durch die Sünde schlafen
gegangen, daher soll sie wieder erweckt werden; denn im
Inneren, im Reiche der Seele ist das Reich Gottes und die
verborgene, geheime Kraft, blos durch den Willen und
Wink ausser sich zu wirken und auch Anderen diese Kraft
einzuprägen, die auf entfernteste Gegenstände wirkt, was
ich als ein grosses Geheimniss zu offenbaren bisher vermieden
habe. ♦ . Wenn daher diese göttliche Kraft des Menschen
als eine natürliche erwiesen ist, so war es bisher abgeschmackt,
zu glauben, dass der Teufel hierbei sein Spiel treibe. . .
Die im Menschen verborgene Kraft ist eine gewisse
ekstatische Macht, die nicht wirkt, wenn sie nicht durch
die durch glühendes Verlangen entzündete Einbildungskraft
geweckt wird; sie ist eine geistige Kraft, die nicht vom
Himmel herabkonmit und noch weniger aus der Hölle,
sondern von dem Menschen selbst, wie das Feuer aus dem
*) 1. Könige. 13, 4.
*) Görwitz: — „Idiosomnambulismus/4 180.
Ä) Ochorowicz: — „De la Suggestion." 86.
„Mittheiluugeu aus dem Schlafleben der Auguste K." 53.
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