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76 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 2. Heft. (Februar J894.)
heute mit seinem Besuche, und das ging so zu. Als ich
mir in Folge von dringenden Geschäften und einem halben
Dutzend Applicanten, die im Bureau der Erledigung harrten,
kaum zu helfen wusste, betrat der enragirte und vollblütigste
aller Spiritualisten, Herr Chs. R. Miller, in Begleitung eines
robust aussehenden Mannes dasselbe und rief mit überlauter
Stimme, ob ich nicht anwesend sei. Ich gab mich ihm zu
erkennen, worauf er, unbekümmert um die Gegenwart
meines Chefs, der übrigen Beamten und Odenten ganze
Stösse Papiers aus den Taschen seines beispiellos schmierigen
Ueberziehers herauskramte, dieselben triumphirend mit der
Bemerkung auf mein Pult warf: — „Herr, die wurden
„vorgestern eigenhändig in einem hermetisch verschlossenen
„Glasgefäss vom römischen Kaiser Nero, der ungefähr
„4000 Jahre vor Christi Geburt lebte, und mit der Beihülfe
„meiner verstorbenen Tochter, die Sie ja kürzlich zu sehen
„und zu sprechen Gelegenheit hatten, beschrieben." —
Trotzdem ich den corpulenten Herrn, der aussah, als hätte
er sich in Tabaksbrühe gebadet, zu unterbrechen suchte,
holte er neue Aktenstücke aus den schier unergründlichen
Taschen hervor, dabei die Phänomenalität des anwesenden
Mediums, den er mir speciell vorzustellen in Aussicht stellte,
hervorhebend, um dann mit einem neu auflodernden
Triumphblick, den er auf die Anwesenden warf, mich zu
versichern, dass er mir Gelegenheit verschaffen werde, in
Verkehr mit der Cleopatra, der Marie Antoniette und anderen
vorgeschichtlichen Geistern zu treten. — Natürlich wandten
sich die Blicke der Anwesenden von einem zum anderen,
während mir die Verlegenheitsschweisstropfen so gross wie
wie Haselnüsse nur so vom Leibe rieselten. Als der Unglückselige
zu einer neuen Rede ausholte, erklärte ich ihm,
dass Freund M. ganz in der Nähe etablirt sei und sich
unendlich freuen werde, ihn und seinen Begleiter zu sehen,
worauf er dann stillschweigend und bedächtig wieder einpackte
und anscheinend sich beim Entfernen klar zu machen
suchte, warum ich keine grössere Freude über seineij
Besuch an den Tag legte. — Nach Schluss der Bureaa-
stunden begab ich mich nach Manneck's Geschäftslokal,
woselbst ich die Erwähnten noch in eifriger Unterhaltung
begriffen antraf. — Nun Hess Miller dem Cole keine Ruhe
und drängte ihn, einen Beweis seiner medianimen Begabung
zu geben.
Wir wurden mitsammt von zwei Arbeiterinnen Manneck's
angewiesen, ein Blatt unbeschriebenen Papiers zwischen dem
Daumen und Zeigefinger zu halten, um dasselbe zu magne-
tisiren; dann faltete das Medium dasselbe eng zusammen
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