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Karze Notizen
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Arzneien, errathen Verborgenes aus den Rissen in dem
angebrannten Scbulterblatte eines Hammels, sagen die
Zukunft voraus und erinnern durch alle Grimassen an die
Schamanen. Es ist dies offenbar noch ein Ueberrest
des vormuselmännischen Schamanenthumes der Steppen-
Kirgisen." *) — 7) Ad. Bastian fand denselben Brauch auch
bei den ßuräten. 8) Nach v. Haxthausen kommt er auch
bei den Kalmücken und „allen Barbaren des nordöstlichen
Asiens" vor. 9) Derselbe berichtet in „Transkaukasien" II,
S. 172, dass die Tscherkessen aus den Rissen des Knochens
weissagen: die Erfolge kriegerischer Unternehmungen,
Misswachs, gute Ernte,"Kälte, Schnee und, was bei ihnen
eine Hauptsache, die Treue der Frauen. Ein Fürst, der
in einem fremden Aul übernachtete, untersuchte beim
Abendessen den prophetischen Knochen und erklärte seinen
Tischgenossen, dass es in der Nacht Alarm geben würde.
Er und die Anderen legten sich völlig angekleidet nieder.
Um Mitternacht überfiel eine Räuberbande das Dorf und
wurde mit grossem Verluste zurückgeschlagen. — Zwei
Brüder, weithin bekannt durch die ffassandra-G&be, befanden
sich einst als Gäste in einem benachbarten Aul in derselben
Behausung. Am Abend speiste der ältere im Gastzimmer
des Nachbarn, kehrte dann zurück, fand aber den Bruder
nicht mehr. Er erfuhr auf seine Fragen, dass jener nach
Prüfung des Schulterknochens sein Pferd gesattelt habe
und fortgeritten sei. Darüber erstaunt, Hess er sich denselben
Knochen geben, prüfte ihn genau und sagte lächelnd
den Umstehenden, das Schulterblatt habe seinem Bruder
einen Mann angezeigt, der zu Hause bei dessen Frau wäre;
Eifersucht aber habe ihn verblendet, denn er sehe ganz
deutlich, dass jener Mann der Bruder der Frau sei. Nun
wird dem Eifersüchtigen ein Bote nachgeschickt, der endlich
mit der Nachricht zurückkehrt, dass alles sich genau so
verhalte, wie der ältere Bruder es erschaut habe/'**) —
10) ,,^on Jornandes erfahren wir, dass auch bei den Hunnen
schon der Glaube an die hohe Bedeutung und Wichtigkeit
dieses Schafknochens sich befestigt hatte, da Attila (s.
Kap. 37) vor der Schlacht Wahrsager befragt, welche 'gewisse
*) Wir erinnern hierbei an Frau v. Lougorvskoy'* Artikel: —
„Ein aleutischer Geisterseher" in „Psych. Stud." Februar-Heft 1884
8, 51 ff. — Der Sekr. d. Red.
**) Dieser Bericht erinnert an unseren früheren Artikel: — „Wie
man den Zauberspiegel mit Vorsicht verwerthen soll." Von G. H. in A.
in „Psych. Stud," Januar 1891 8. 35 ff. — und an Dr. Dessoir's „Zauber-
gpiegei-Citate" im November-Hefte 1890, 8. 525 ff. —
i>er Sekr. d. Red.
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