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90 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1894.)
sei, dass jede Ungemächlichkeit des Vaters auf das neugeborene
Kind einen nachtheiligen Einfluss habe" (v. Dayen
a. a. O. S. 21). Die Couvade hat also — nach Dr. Otto
Opefs Besprechung der Starke'schen Ansicht in „Die Natur"
Nr. 19 v. 6. Mai 1893 S. 219 ff. — „einen eigenen selbst-
ständigen Zweck, ist keine Nachahmung einer Entbindung.
Praglich bleibt jedoch, ob wir in diesem Grunde einen
überall zutreffenden, bei einer so verbreiteten Institution
auch allgemein menschlichen zu erblicken haben. — Zunächst
möchte uns die Beantwortung nicht ganz leicht fallen; es
erscheint doch so auffallend, den Zustand einer Person von
dem Verhalten einer anderen abhängig zu glauben. Unsere
Bedenken schwinden jedoch, sobald wir uns in den Kindheitszustand
der Menschheit zurück versetzen, zu dessen
ältesten, unentbehrlichsten Requisiten der Glaube an
Zauberei gehörte, d. h. der Glaube, dass gewisse
Menschen oder Gegenstände sich im Besitze einer Kraft
befänden, die es ihnen ermöglichte, nach ihrem eigenen
Belieben das Verhalten anderer Personen zu beeinflussen.
Wie tief dieser Glaube im menschlichem Gemütbe Wurzel
geschlagen, man möchte beinah sagen, zu den angeborenen
Ideen gehört, zeigt der noch heute in zahlreichen Volksschichten
verbreitete Aberglaube, dass das Schicksal und
die Eigenschaften eines Kindes durch das Verhalten seiner
Pathen beim Taufgange bestimmt werden. Auch die in
niederen Kreisen übliche Verwendung des Ausdruckes
'unberufen', den der Sprecher nicht ganz gedankenlos an
die Erwähnung irgend welcher besonders erfreulicher Mittheilungen
knüpft, deutet darauf, do,ss der Betreffende sich
ursprünglich für befähigt hielt, durch seine Rede auf die
glücklichen Umstände einer anderen Person einen maass-
gebenden, unheilvollen Einfluss auszuüben. Als letzten
Ausläufer jener Ansicht sind sogar gerade in unseren Tagen
Hypnotismus und Telepathie zu neuem Ansehen gelangt;
in der Person des /forschen Baumeisters Solness, dessen
unausgesprochener, aber beharrlich festgehaltener Wille
andere Personen zur Erfüllung seiner Wünsche zwingt,
feiert die der Couvade zu Grunde liegende Idee ihre
vollste Wiederauferstehung. — Die Couvade gehört demnach
in das Reich der Sympathiemittel, sie bildet keinen Markstein
in der Entwickelung des Familienrechts, zu der sie
die Bachofen'sehe Schule stempeln wollte. U. s. w." —
e) Wer sich über Sar JPeladan und seine Schule, von
der unsere Kurze Notiz g) im Eebruar-Heft 1893 S. 108 ff.
handelt, noch des Näheren belehren will, dem empfehlen
wir Eugen von Jagow's „Die mystische Bewegung in der
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