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Wedel: Mystische Erscheinungen in Sage u. Volksaberglauben. 103
manchmal wider ihren Willen dadurch Böses stiften
sollen.1)
Aus diesem Grunde kann man die eben besprochene
Erscheinung auch nicht in das eigentliche Gebiet von
„Magie" und „Zauberei" rechnen. Denn dazu gehört
bewusster Wille. Diese letztere nun, im engeren Sinne
aufgefaßt, wird im Volksaberglauben gut von der „Hexerei"
geschieden. Die Hexe ist abhängig von ihren übernatürlichen
Gehilfen; der Zauberer dagegen unterwirft sich
dieselben. Auch sind die letzteren fast ausschliesslich
Männer, jene dagegen Weiber. Natürlich sind diese
Grenzen keine unbedingt scharfen, aber doch sehr deutlich
erkennbar. Merkwürdiger Weise bietet dieser Glaube
verhaltnissmässig wenig Ausbeute für die mystische
Forschung, so lange wir uns wenigstens auf dem Gebiete
der Sage befinden. Der Ausgangspunkt ist auch hier
wohl eine „magische Kraft des Willens", welche in
telepathischer Weise wirkte; aber die Einbildungskraft hat
den Gegenstand ins Ungeheure vergrössert, so dass man
kaum noch den Ursprung erkennen kann. Der Macht des
gesprochenen Wortes in gewissen, streng einzuhaltenden
Formeln wird alles nur irgend Erdenkliche zugetraut. Man
vergleiche nur Odin's Runenzauber und Skirnir1s Fahrt in
der „älteren Eddau. Mit mediumistischen Erscheinungen
haben wir es bei Todtenbeschwörungen zu thun;
denn aus der Thatsache eines Verkehres mit abgeschiedenen
Menschen konnte leicht der Glaube an die Möglichkeit,
dieselben mit Zwang herbeizurufen, entstehen. So beschwört
Hervor in der „Hervarar-Saga" den Geist ihres Vaters
Ängantyr, um von ihm das gefeite Schwert „Tyrfing" zu
erhalten. In der mehr geschichtlichen „Färeyinga-Saga"
citirt Thrand die Schatten dreier Männer: — Sigmund
Bresterson's, Thorer Beinerson's und Einar's von Suderö. Er
schärft dabei seinem Gefolge ein, ihn während des Vorganges
nicht anzureden.2) Im Finnischen Eationalliede
„Kaiewala" wird die Zauberei geradezu ein Zerrbild. Wenn
der Held Wäinämöinen irgend etwas wünscht, z, ß. ein
Gefolge zu einer Fahrt ins Nordland, so wirbt er es sich
nicht etwa an, sondern er singt Zauberlieder, bis dasselbe
fix und fertig dasteht. Im Volksglauben des Mittelalters
und der neueren Zeit traut man den Zauberern doch nicht
soviel zu, und infolgedessen ist es auch möglich, eine
gewissen Thatsachen entsprechende Unterlage zu erkennen.
*) Wuttkei — „Volksaberglauben." S. 158.
*) Färeyinga-Saga. Kap. 40.
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