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Wittig: Ein böswillig denunzirter Magnetiseur. 131
Berlin, 18. December 1893.
In einer Ermittelnngssache
wider mich,
Decernent Criminalcoramissar Damm,
Bin ich gestern vor dem Herrn Criminalcommissar
Damm vernommen worden, und hat Letzterer mir dabei
bekannt gegeben, dass meiner Vernehmung eine anonyme
Denunziation zu Grunde liegt, die durch die angeblichen
Beobachtungen einer Frauensperson bestätigt worden sei.
Indem ich die Würdigung der Mittheilungen letztgedachter
Person völlig anheimstelle, sehe ich mich im allgemeinen
Interesse der Sache, der ich diene, veranlasst, auf die zu
Grunde liegende Denunziation näher einzugehen. In dieser
Beziehung hat sich in mir die Ueberzeugung gebildet, dass
die Denunziation entweder direct von ärztlicher Seite erfolgt,
oder von solcher Seite wenigstens mittelbar ausgegangen ist.
Ich gelange zu dieser Ueberzeugung durch die Erwägung,
dass sich nach sorgfältigster Prüfung unter meinen Patienten
und Patientinnen, die zum grossen Theil den angesehensten
und vornehmsten Kreisen der Gesellschaft angehören,
Niemand finden dürfte, der meine auf Heilung abzielende
Thätigkeit in der völlig banausischen Art und Weise, wie
dies in der Denunziation geschehen ist, aufgefasst haben
könnte, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil mir fast
meine sämmtlichen Patienten Beweise des Gegentheils einer
derartig banausischen Auffassung gegeben haben.
Das Mittel, mit welchem ich heilend wirke oder zu
wirken bemüht bin, besteht in meiner magnetischen Kraft.
Demgegenüber giebt es meines Dafürhaltens nur zwei
Standpunkte. Entweder man glaubt an dieselbe und sucht
dieselbe im Bedürfnissfalle für sich nutzbar zu machen, —
das ist der Fall bei denen, die bei mir Heilung suchen, —
oder man bestreitet dieselbe, und steht es alsdann frei, über
mich und mein Verfahren zu discutiren» Ein actuelles
Interesse, meine Kraft und die Möglichkeit, durch dieselbe
Heilerfolge zu erzielen, zu bestreiten, haben lediglich gewisse
ärztliche Kreise," die in meiner Thätigkeit eine wirkungsvolle
Concurrenz erblicken, und zwar muss dieses Interesse in um
so höherem Grade obwalten, je grösser thatsächlich die
Erfolge sind , die ich erziele. Unter diesen Umständen ist
es fernerhin sehr erklärlich, wenn gewisse ärztliche Kreise,
um ihrem Bestreiten eine praktische Wendung und grössere
Wirkung zu geben, sei es aus Ueberzeugung, sei es, um zu
ihrem Zwecke zu gelangen, mir in meiner Thätigkeit unlautere
Motive unterschieben. Diesen Fall halte ich vorliegend für
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