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Wittig: Ein hellsehendes Heilmedium im Kampfe etc. 147
frühere Statthalter Feld m arschall Freiherr v. Manteuffel
gerade Dorlisheim, bei welcher Gelegenheit die Tochter des
Sehlofers dem Marschall einen mächtigen Blumenstrauss
sammt einem Begnadigungsgesuch überreichte. Ob dasselbe
Erfolg hatte, weiss ich nicht. Nach seiner Entlassung aus
dem Gefängnisse richtete Herr Jost eine Cigarrenfabrik in
seinem Hause ein, und nun kamen die Leute von nah und
fern, meist insgeheim, um — Cigarren bei dem „Sehlofer"
zu kaufen. Jeder, der aus dem Hause kam, dampfte ganz
lustig seinen Glimmstengel. In diese Zeit fällt auch die
Erbauung der prachtvollen Villa „Mon plaisir" in der Nähe
der Bahnstation. In dieser Villa betreibt Herr Jost seit
einigen Jahren wieder unangefochten sein Geschäft. Die
Behörde kann ihm nichts mehr machen, weil ein staatlich
geprüfter Arzt die Recepte schreibt!!!
In Dorlisheim und der Umgegend ist der „Schlofer"
eine sehr beliebte Persönlichkeit, da er auch besonders den
Armen viel Gutes erweist. Ein besonderes Verdienst erwarb
er sich auch durch die Gründung der „Dorlisheimer Feuerwehr
". Jeden Sommer unternimmt er eine etwa zwei
Monate dauernde Erholungsreise, da das „Schlafen" seine
Gesundheit und seine Kraft sehr in Mitleidenschaft zieht
Auf diesen Reisen besucht er regelmässig Paris und
Konstantinopel, wo er dann einige Zeit bei seinen Schwestern
auf Besuch verweilt. In Konstantinopel soll er sogar beim
Sultan gewesen sein, ja, in „eingeweihten Kreisen" will man
sogar wissen, dass er sich als „Schlofer" einmal den grossherrlichen
Harem ansehen durfte, was wohl wenigen Sterblichen
möglich gewesen ist.
Etwas ganz Geheimnissvolles ist es mit dem „Schlaf*.
Es ist nach den Erklärungen des „Wunderdoctors' selbstverständlich
kein natürlicher Schlaf; es muss eine Person
da sein, die den „Schlofer" in einen schlafähnlichen Zustand
versetzt. Dazu ist aber nicht jede beliebige Person im
Stande, sondern es ist erforderlich, dass sie ebenfalls einen
genügend starken Magnetismus besitzt, und dass sie es auch
versteht, den Schlafenden wieder aus seinem Zustande zu
erwecken, wozu er aus eigener Kraft nicht fähig wäre.
Darüber theilte mir „einer, der's probirt hat", folgendes
mit: — „Ich ging zum Schläfer, denn er wollte probiren,
ob ich Magnet genug besitze, ihn schlafen zu machen. Ich
setzte mich auf einen Sessel, und er setzte sich vor mich.
Dann musste ich ihm die Hs»nd geben und ihm fest in die
Augen blicken. Wenn er sich nun mit der anderen Hand
bewegte und wollte, dass ich den Kopf zurücklehne, (ich
wusste es nicht, dass er's wollte,) so musste ich ohn-e meinen
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