http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0157
Wittig: Ein hellsehendes Heilmedium im Kampfe etc. 149
Lilien, die Hand drei Mal täglich darin baden, ein Bad
darf nur zwei Mal benutzt werden. Jedesmal nach dem
Bade mit Salbe einreiben, welche entsteht aus Nussöl,
Schweineschmalz und weissem Wachs zu gleichen Theilen,
das in einem Geschirr vergehen lassen, nachher, wenn es
kalt und gestanden ist, in ein leinenes Tuch machen und
nach jedem Bade die Hand tüchtig damit schmieren. Er
soll die Hand pünktlich besorgen, sonst hat er lange Arbeit
damit; er wird sehen, wie viel Unrath herauskommt, wenn
die Hand offen sein wird! In fünf Tagen wiederkommen,
dann werde ich wieder sehen l" —
Zum Schlüsse lade ich Dich, lieber Leser, ein, einmal
mit mir einen Besuch bei diesem „Wunderdoctor" zu machen!
Du bist vielleicht erstaunt oder gar erbost ob meiner Einladung
und schlägst vor Angst -f-ffl Doch beruhige Dich,
das Ding ist nicht so gefährlich. Du brauchst ja nicht
selbst krank zu sein, Du machst die Reise für Deinen
kranken Nachbar. Zu diesem Zwecke versiehst Du Dich
mit einem Halstuche, das der Kranke trägt, — nur darf
es kein seidenes sein —, oder Du schneidest dem Patienten
ein paar Haare ab, oder ziehest ihm die Strümpfe aus und
packst sie sorgfältig ein. So mit dem Nöthigen versehen,
sitzen wir schon am frühen Morgen im Zuge Schlettstadt-
Zabern. Aus dem Gespräche unserer Reisegenossen erfahren
wir, dass sie ebenfalls zum „Schlofer" wollen.
Jener Mann dort in der Ecke mit dem grossen, dicken
Halstuch um den Kopf und dem heftigen, hohlen Husten,
theilt wahrscheinlich auch das Ziel unserer Reise. Die
Frau mir gegenüber, der Sprache nach bei Colmar zu
Hause, kommt nun schon das dritte Mal für ihren kranken
Mann. Sie erzählt, dass ihr Mann die Arzenei nicht habe
nehmen wollen. Da sei sie das letzte Mai vom „Schlofer"
gefragt worden, ob die Arzenei zu Ende sei, worauf sie mit
„ja" antwortete. Nicht wenig sei sie aber erstaunt gewesen,
als ihr der „Schlofer" erwiderte: — „Und jene im Arzenei-
fläschchen auf dem Kücbenschranke hinter der Suppenschüssel
auch?" — Doch wir sind am Ziel. Kaum sind wir ausgestiegen
, so sehen wir eine ganze Menge Angekommener
im Sturmschritt der Villa zusteuern. Bei unserer Ankunft
händigt uns der Hausdiener eine Karte mit der Nummer
18 ein und öffnet lautlos die erste Thüre links. Im Saale
sitzen schon die Vorausgeeilten, jeder hat ebenfalls eine
nummerirte Karte in den Händen. Hier müssen wir nun
warten, bis der Zug von Molsheim ankommt. Keuchend vom
schnellen Laufe kommen wieder etwa zehn bis fünfzehn
Personen an. Unterdessen ist der „Schlofer" von seiner
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0157