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152 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
Gesellschaft zusammen, und ihre Urtheile klingen grundverschieden
. Da ist z. ß. der Mann aus dem Schweizerlande
, der herüber gepilgert ist, um im Gefängnisse selbst
den Schlofer zu befragen, denn sein Leiden hat sich
wesentlich gebessert, aber er hoffte mit des Schlofers Hülfe
noch mehr zu erreichen. — Da ist dagegen wieder der
Badener, der den Schlofer einen Betrüger heisst, weil er
auf Grund einer Betastung von Haaren nicht heraus fand,
dass seine Tochter ein Rückenmarksleiden hatte, und weil
er dieses Leiden nicht zu heilen wusste. Sein Aerger ist
dadurch nicht unbeeinflusst, dass der Schlofer ihm mittheilte,
dass er ein ander Mal 4 Mark einzuliefern hätte, während
der gute Deutsche es bisher mit den 4 Franken gehalten
— ein verzeihlicher Irrthum. — Im Allgemeinen ist die
Stimmung eine begeisterte für den Schlofer. Man weiss
nicht, ob man seine Heilkraft oder seine Wohlthätigkeit
mehr rühmen soll. Es gefällt dem Volke, dass einer der
Ihren solche Erfolge hatte, und dass die „Gelehrten" sich
solche Mühe geben müssen, ihn zu bekämpfen. Der Mann
hat so Vielen geholfen, nicht allein aus der körperlichen,
sondern auch aus der pekuniären Noth; jedes Jahr hat er
zur Weihnachtszeit, zur Oonfirmationszeit Gaben gespendet.
Stets hat er von seinem Ueberfluss für die Armen und für
seinen Heimathsort reichlich und mit Freuden abgegeben.
Dorlisheim ist erst durch den Schlofer etwas geworden.
Die Zaberner Gasthöfe sind überfüllt, an die achtzig
Zeugen sind geladen, 40 bis 50 zur Entlastung und 25 zur
Belastung. Morgen früh kommt aber erst der Hauptstoss
an, und der kleine Saal des Landgerichtsgebäudes wird kaum
ein Hundertstel der Leute fassen, die morgen herbeiströmen
werden aus Neugierde wie aus Anhänglichkeit, aus Liebe,
ja aus grenzenloser Verehrung und Dankbarkeit. — Auf
der Höhe liegt das Landgerichtsgebäude, ein massiver
Sandsteinbau. Der Sitzungssaal ist sehr beschränkt. Der
Raum für die Richter nimmt mindestens zwei Drittel des
Ganzen ein. Während ich ihn besichtige, schaut die niedergehende
Sonne hinein und spielt auf den Kaiserbüsten, auf
den Sesseln des Gerichtshofes und auch auf das Plätzlein,
wo morgen Ihr Berichterstatter Ihnen ein Bild geben soll *
von einer Verhandlung über Dinge, welche unsere Schulweisheit
nicht kennt, und an deren Erklärung selbst ein
Kant*) scheiterte. Morgen werden Richter walten, die über
*) Man sehe: — Immanuel Kant, „Träume eines Geistersehers
, erläutert durch Träume der Metaphysik." Text der Ausgabe
(A) Anfang 1766 erschienen. Herausgegeben von Karl Kehrbach.
(Leipzig, Philipp Reclam jun., 1880.) Nr. 1320. 20 Pfennige. —
Der Sekr. d. Red
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