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Wittig: Ein bellsehendes Heilmedium im Kampfe etc. 157
verhaftet; Ernst Urban, Steinhauer aus Wisch, [verhaftet,
37 Jahre alt]. — Die Anklageschrift die der Präsident,
Landgerichtsdirector Wenz, verliest, hesagt, dass Betrug
durch Vermögensschädigung und widernatürliche Unzucht
gegen Jost vorliege.
Der Präsident befragt den Angeklagten Jost über sein
Vorleben. [Jost ist ein schlank gebauter Mann über Mittelgrösse
mit leicht angegrautem, spärlichem schwarzen Haupthaar
. Er sieht in seinem schmalen Gesicht mit den scharfgeschnittenen
Zügen etwas angegriffen aus. Auffallend sind
die grossen, ruhig blickenden Augen. Die Lippen bedeckt
ein dichter brauner Schnurrbart mit lang herabhängenden
Spitzen. Der Angeklagte, der ein bescheidenes Auftreten
an den Tag legt, spricht ein fliessendes Hochdeutsch mit
elsässischem Accent. Nach seiner Erzählung ist er geboren
zu Dorlisheim, wo er die Volksschule besucht hat. In
Molsheim hat er das Schneiderhandwerk gelernt und ist
dann nach Paris gegangen. — „Strassburger Post" Nr. 163
v. 3, März 1894.] Jost giebt an, nach der Conscription 1867
nach Paris gekommen zu sein. Mit einem Freunde sei er
dort in einer Societe de Magnetisme gewesen, obwohl er
Anfangs der Sache ungläubig gegenüber gestanden habe.
Er habe eine Beinwunde gehabt, und ein Dr. Dejardin habe
ihn behandelt und gefragt, ob er ihn einschläfern dürfe.
Dejardin habe ihn eingeschläfert und in diesem Zustande
seine Wunde geheilt Er sei zwei Jahre als Factotum bei
ihm gewesen. [Dann zog er, mit Wissensschätzen reich
beladen, hin zu den heimischen Gestaden; — aber nicht
nur die Wissenschaft, — auch das Strafgesetz schreitet
schnell ... 1875 packts den Schlofer bereits wegen Wahrsagerei
am Kragen, im nächsten Jahre ditto... Einstweilen
kommt in Dorlisheim sein Ruf als Schlofer in Blüthe, —
bis er 1882 wegen Betruges — das sollte nämlich seine
somnambule Heilwissenschaft sein — angeklagt und eingelocht
wird. Zur wissenschaftlichen Beurtheilung seiner Schloferei
sind fünf Sachverständige erschienen. Professor Dr. Naunyn,
Dr. Fürstner, Geh. Medicinalrath Dr. Krieger aus Strassburg,
Dr. Burwinkel sowie Dr. v. Langsdorf aus Freiburg. —
„Strassburger Bürger-Zeitung" Nr. 53 v. 3. März er.] —
Nach dem Kriege habe er in Wiesbaden Blutspucken gehabt,
und eine Frau Basy aus Dorlisheim habe ihn eingeschläfert,
und er sie, und sie hätten sich gegenseitig geheilt. Das sei
aber heimlich geschehen.
Präsident: — Hat Dejardin ebenso geheilt wie Sie? —
Angeklagter: — Ja. — Präsident: — Glauben Sie, em Hellseher
zu sein, von Gott gestärkt? — Angeklagter: — Nein,
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