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176 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
Dieselbe wird mit den Gutachten der Sachverständigen und
den Plaidoyers beginnen. — Die Sitzung schloss gegen
10 Uhr Abends. [Der Angeklagte Jost, der während des
ganzen Vormittags ein überaus ernstes Gesicht gemacht hat,
zeigt während der Nachmittagsverhandlung ein frischeres,
wie es scheint, von Hoffnung belebtes Aussehen. Zuweilen
geht sogar ein Lächeln über seine Züge, und besonders
erfreut scheint er, als während einer kurzen Pause, in der
das Gericht sich zur JBerathung über einen zu fassenden
Beschluss zurückgezogen hat, Frau Wehrung ihn sowie seine
Nichte freundlichst begrüsste. Die letztere scheint sich
während der ganzen Verhandlung keinen schweren Sorgen
hinzugeben. Sie spricht häufig lächelnd mit dem Verthei-
diger und folgt den Zeugenaussagen mit grÖ3ster Aufmerksamkeit
. Aus dem Zuschauerraum hört der Berichterstatter
häufig Worte an seinen Platz dringen, die auf eine starke
Parteinahme des Publikums zu Gunsten des Angeklagten
Jost gedeutet werden müssen. — „Post" Nr. 163.]
C. Der zweite Verhandlungstag
Zabern, 3. und 4. März 1894.*)
ist gleichzeitig der letzte, an welchem über die Betrugsanklage
gegen Jost und Genossen verhandelt wird. Am
Montag findet die Verhandlung über den zweiten Punkt der
Anklage statt, und damit dürfte der Prozess beendet sein,
welcher die hochinteressanten Fragen des Somnambulismus,
Spiritismus, Magnetismus, der Hypnose etc. in seinen Bereich
zog. — Während es sich am ersten Verhandlungstage
bei den Zeugenverhören mehr um Jost selbst handelt, war
der zweite Tag mehr den allgemeinen Fragen gewidmet.
Wir wollen gleich voraussenden, dass er die grössten Anforderungen
an Alle stellte, welche mit dem Prozess zu
thun hatten. Die Sitzung währte von 10 Uhr Morgens bis
halb 2 Uhr Nachts mit einer fünfviertelstündigen Essenspause
von 3|42 Uhr bis 3 Uhr. Es ist, beiläufig bemerkt,
nur der glänzenden Rednergabe des Vertheidigers Freiherrn
Schott von Schottenstein, der von Samstag Abend x|29 Uhr
bis in die zweite Morgenstunde des Sonntags sprach, zu
verdanken, dass die allgemeine Aufmerksamkeit nicht erlahmte
und der Saal bis zum letzten Moment bis auf den
letzten Platz gefüllt blieb. — Sowohl der Vertheidiger als
der Staatsanwalt Kanzler, der sich als eine eminente
*) Aus „Strassburger Neuesten Nachrichten'4 Nr. 64 v. 5. März
1894. Zweites Blatt.—Mit Einschaltungen aus der „Post" u. „Bürger-Ztg."
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