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188 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft (April 1894.)
giebt der Hoffnung Ausdruck, dass das Ergebniss des vorliegenden
Prozesses das schöne Molsheimer Land von dem
Fluche der Lächerlichkeit befreien werde, der ihm infolge
des Treibens des Angeklagten Jost angehaftet habe. —
„Post" Nr. 167.] Man dürfe fragen, weshalb die Anklage
nur von 8 Fällen gesprochen. Es liege daran, dass man
nur Wenige von denen kenne, welche auf dem Altar der
sancta simplicitas geopfert haben. Man habe erst Zeugen
erhalten, als die Gendarmen 14 Tage lang die Besucher
notirten. Jost sei ein Betrüger. Der Staatsanwalt meint,
dass die Besucher grossentheils nicht befähigt gewesen
wären, den Betrug zu erkennen. Man habe nur 100 Leute
vernommen von den 700, die notirt worden seien, und zwar
um Kosten zu ersparen. Der Redner geht auf den Lebensgang
des Jost ein. [Von jener Zeil an, da dieser in einem
Strassburger Blatte angekündigt habe, dass er dort einmal
wöchentlich als Somnambule in einem Hause der Meisengasse
— 3S ist das Haus des Photographen Gerschel —
Consultationen ertheile, bis zu der Zeit, wo er als Besitzer
des Schlösschens ,,MonpIaisiru in Dorlisheim den ungeheuren
Zulauf von nah und fern gehabt habe. Der Redner erklärt
sich diesen Erfolg des Angeklagten durch den leider in allen
Gesellschaftsschichten verbreiteten Hang zum Occultismus,
Junge Phantasten und alte Weiber beiderlei Geschlechts
fröhnten diesem Hange und glaubten darum alles, nur nicht
das Einfache und Natürliche. Der Staatsanwalt erinnert
an die bekannten spiritistischen Vorgänge in Berlin und bedauert
, drss so \iele Vertreter der sogenannten besseren
Stände sich an diesem dummen Schwindel, wie Professor
Benedict es derb, aber richtig bezeichnet habe, beteiligt
hätten. „Post" Nr. 167.] Der Staatsanwalt beklagt den
Occultismus und Mesmerismus unserer Zeit. Die Anhänger
des Occultismus setzen sich z. B. in Frankreich, wie er aus
Berriheirri% Werken ersehen, aus pensionirten Offizieren und
Geheimräthen, aus jungen Phantasten und alten Weibern
beiderlei Geschlechts zusammen. Er klage diese Leute
nicht an, die einen solchen Sport treiben, denn wenn ihr
Hang sich nicht in dieser Weise äussern könne, so würde
er sich in anderer Weise erklären. Besonders Frauen
spielen dabei eine bedeutende Rolle. Er zitirt Prof. Benedict,
welcher wie Prof. Dubois-Reymond den Hang der Frauen zum
Komödienspiele, zur Geheimthuerei, kritisirt, er erinnert an
den Prozess von Valeska Töpfer,*) welche auch den leider
*) Die Sachdarstellung und Widerlegung dieses Prozesses in den
Psych.-Stud. Juniheft 1892, wie die Verteidigung der Valeska Töpfer
daselbst im Juli- u. Aug.-Heft 1892, scheint der Herr Staatsanwalt gar
nicht zu kennen, — Der Befcr. d. Red.
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