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192 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
bestanden und gewiss die Möglichkeit gehabt habe, sich in
ehrlicher Ausübung seines Berufes durch die Weit zu
schlagen, nicht genug sittliche Energie bewiesen habe, um
sich der erniedrigenden Abhängigkeit von einem Kurpfuscher
zu entziehen. Indem Redner noch dem Bedauern Ausdruck
giebt, dass keine 4erztekammer disciplinarisch über die
Ehre der Angehörigen des ärztlichen Standes wache, beantragt
er, sowohl den Angeklagten Dr. Grosse als auch die
Ehefrau Wolff wegen wissentlicher Beihilfe, die sie dem
Jost geleistet, zu verurtheilen. In Bezug auf das Strafmaass
bleibt sein Antrag vorbehalten, bis der zweite Theil des
Processes erledigt sei. — „Post" Nr. 167.]
B, Die Verteidigung.
[Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte b1^ Stunden
geredet, als um 8% Uhr Abends der Vertheidiger, Hechts«
anwalt Frhr. Schott v. Schottenstein, das Wort erhielt. — „Post"
Nr. 167.] -
Man gab sich nach dem Plaidoyer des öffentlichen
Anklägers, worüber es halb y Uhr geworden war, der
Hoffnung hin, dass die Yertheidigungsrede des Rechtsanwalts
JFreih. Schott v. Schottenstein auf Montag früh verschoben
würde *) Das Gericht beschloss aber anders, und so
begann denn in sehr vorgerückter Stunde die Vertheidigung
ihr schweres Werk. Trotz der allgemeinen Ermüdung, trotz
der erst seit Kurzem überstandenen Krankheit, verstand
es die Zierde unseres Strassburger Barreaus, die Zuhörer
fünf Stunden lang zu fessein. Alle Register seiner
forensischen Beredsamkeit wusste der Redner spielen zu
lassen. Manch witziges Schlagwort gab den Ausführungen
über einen Gegenstand, der in bereits 21 stündiger Verhandlung
bis in's Kleinste beleuchtet zu sein schien, neuen
Reiz; der Vertheidiger wusste immer wieder eine neue
frappirende Beleuchtung der Frage eintreten zu lassen.
Er begann sehr glücklich: die Signatur des ganzen
Prozesses sei in den Worten enthalten, die Jost bei seiner
ersten Vernehmung auf dem Amtsgericht in Molsheim gesprochen
: — „Nicht aus den Kreisen des angeblich betrogenen
Volkes kommen meine Verfolgungen, sondern aus
*) In dieser weiteren Darstellung der Vertheidigung folgen wir
hauptsächlich den „Strassburger Neuesten Nachrichten" Nr. 54 vom
5. März er. mit den nöthigen Einschaltungen aus anderen Strassburger
und Elsasser Blättern, welche inzwischen wiederum vielfach ergänzt
worden sind, durch eine besondere Flugschrift, betitelt: — Der
Schlofer-Process. Verhandelt am 2., 3. und 13. März 1894."
(Stiassburg, Druck und Veilag der „Strassb. Neuest. Nach." A.-G.,
vormals H. L. Kays er. 1894.) 52 S. 8°. — Der Sehr. d. Red.
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