http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0207
Wittig: Ein hellsehendes Heilmedium im Kampfe eto. 199
dem lange bekundeten Zeitraum von 15—16 Jahren so nicht
habe hypnotisch schlafen können, ohne dazwischen zu pau-
siren und gründliche Erholung eintreten zu lassen. Einmal
sei durch die verlesenen klinischen Berichte des Professors
Wetterstrand erwiesen, dass zahllose Hypnotisirte die Einschläferungen
ohne die geringste Schädigung ertrügen, zum
Anderen übersehe Prof. Fürstner einfach, dass Jost ja fest-
gestelltermaassen alljährlich längere Badekuren gebrauche,
wöchentlich zwei Tage aussetze und überdies häufige Besuche
bei seinen in Konstantinopel lebenden Verwandten abstatte.
— Was das Schlussgutachten des Geheimrath Dr, Krieger
anlange, so sei es völlig werthlos, da dieser Vertreter der
obersten Medicinalbehörde zugebe, allen hypnotischen Versuchen
fern zu stehen und trotz 20jähriger Kenntniss vom
Treiben des Angeklagten denselben weder jemals selbst,
noch durch sachverständige Unterorgane bei seinen Experimenten
an Ort und Stelle wissenschaftlich beobachtet zu
haben.*) — Im Uebrigen leide die absprechende Kritik der
zeugenschaftlich bekundeten Heilungen seitens der Experten
an einem Grundmangel, der sich wie ein rother Faden durch
die ganzen Ausführungen der drei Herren hindurchziehe.
Man bezweifle, dass die hier erschienenen Patienten endgültig
gesund geworden seien, und vergesse hierbei vollkommen,
dass es sich ganz und gar nicht um diese Frage, sondern
einzig und allein darum handle, ob die beim Schlofer Erschienenen
, vom Zeitpunkte der betreffenden Konsultation
ab, ihre subjectiven Beschwerden und Schmerzen verloren
hätten, wie dieselben so hundertfach bekunden* Um das zu
wissen und zu empfinden, brauche man kein ärztliches
Attest. Wer die kraft- und gesundheitsstrotzende Zeugin
Frau Wehrung hier vor Gericht gesehen und gleichzeitig
vernommen habe, dass dieselbe vor Josfs Eingreifen jahrelang
schwerleidend gewesen und von einer Klinik in die
andere gewandert sei, dem müsse es mehr wie gleichgültig
erscheinen, ob theoretisch in den Augen der Professoren
ihr altes Uebel weiter — existire oder nicht. — „Heilung"
sei nicht gleich „ewiger Gesundheit", wohl aber sei von dem
Angeklagten „geheilt", wer auf dessen Rath und Mittel hin
von demjenigen Schmerzgefühl befreit worden sei, das ihn
zum Schlofer geführt habe. — Ob Kraft und Wohlbehagen
wieder beim Patienten eingekehrt sei, das wisse nur Einer,
— der „Geheilte" selbst!
*) Hiernach dokumentirt sich Herr Dr. Krieger als ein Anhänger
jenes berühmten Exacten und Experten, den wir „Psych. Stud." Juni-
Heft 1892 S. 267 bereits voll gewürdigt haben. Der Sekr. d. Bed,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0207