http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0211
Wittig: Ein hellsehendes Heilmedium im Kampfe ete. 203
Db. Die Schlussanträge des Staatsanwalts.*)
Vierter Verhandlnngstag.
Zabern, 6. März.
Zabern hat wieder sein Alltagsgewand angezogen, —
die Strassen sind wenig belebt. Dazu regnet es endlos, —
wie der Sehlofer-Prozess, und wenig ergiebig, — wie die
Aussage des Sachverständigen v. Langsdorff. Das Publikum
hat den Spass, vor der verschlossenen Thüre zu
warten, — um nichts zu hören, — satt gekriegt. Man geht
der Werkeltagsarbeit nach und überlässt den Schlofer seinem
Schicksal. .Nur eine Abnormität ist noch da, — in manchen
Bureaus fehlt der leitende Geist, — da er als Zeuge, Sachverständiger
etc. in den heiligen Hallen des Gerichts thront.
Es ist heute in Zabern sehr schwer, — amtliche Aktenstücke
gefertigt zu erhalten.--Der Mittagszug fährt
wieder einen kleinen Nachtrab von Schlachtenbummlern
thalwärts, — aber auch die beiden Helden des Drama's
selbst, der Dr. Grosse und die Frau Cäcilie Wolff, verlassen
das Zaberner Gefilde. Dr. Grosse sieht noch harmloser und
noch zufriedener drein, als sonst. Und das will viel heissen.
Abends nach 6 Uhr ist die Verhandlung zu Ende. Der
Antrag des Staatsanwalts lautet: — Gegen Jost auf ein
Jahr sechs Monate, sowie 1800 Mark Geldstrafe, gegen
Dr. Grosse auf zwei Monate, gegen Frau Wolff auf zwei
Monate, gegen Urban auf drei Monate, gegen Aufschneider
auf ein Monat Gefängniss. Die Verkündigung des Urtheils
erfolgt am Dienstag, 13. März, Vormittags 9 Uhr. —
[Die Staatsanwaltschaft begründete die Höhe der Strafe
im Betrugsfalle damit, dass der Angeklagte Jost bereits
vorbestraft sei, und dass Jost durch seine unwürdige Kurpfuscherei
die Leute abgehalten habe, rechtzeitig zum Arzte
zu gehen und deshalb an ihrer Gesundheit geschädigt habe.
Staatsanwalt Kanzler botont, dass Josfs Patienten ganz
armes Volk gewesen seien, denen er ihre paar Groschen
abgelockt habe. Die Heilergebnisse Josfs aus der letzten
Zeit seien dem praktischen Arzte Dr. Grosse, der ihm
seinen Beistand geliehen, zuzuschreiben.
[Hierauf erwiderte Rechtsanwalt Freiherr Schott von
Schottenstein, dass die zahlreich erwiesenen Heilerfolge gegen
den Betrug sprechen, dass ferner eine Schädigung der Gesundheit
nicht habe eintreten können, dadurch, dass die
Kranken nicht mehr rechtzeitig zum Arzt gegangen wären,
da ja die Patienten erst in extremis vom Arzt zu Jost
*) Entnommen der „Strassburger Bürger-Zeitung" No. 56, Eiste»
Blatt v, 7. M8ra 1894
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0211