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204 Psychische Studien. XXL Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
kamen, wenn ihnen die Aerzte nicht helfen konnten. Von
Armen habe Jost gewöhnlich nichts genommen. Es sei
sonderbar, dass man nun dem viel geschmähten Dr. Grosse
die Heilerfolge zuschreiben wolle. Man vergesse dabei, dass
Dr. Grosse noch nicht bei Jost gewesen sei, als Frau
Bentmeister Wehrung geheilt worden sei. Ferner kritisirte
der Vertheidiger, dass die Anklagebehörde gegen den Mann
der Wissenschaft Dr, Grosse dasselbe Strafmaass beantrage,
wie gegen die beklagenswerthe Frau Wolff. — „Schlofer-
Process" S. 47 ff.]
E. Das Endurtheü und seine Gründe.
Zabern, 13. März 1894*)
Wie bereits telegraphisch mitgetheilt, ist heute Vormittag
das mit Spannung erwartete Urtheil gegen den
Schlofer von Dorlisheim, Gottfried Jost, und Genossen verkündet
worden. Durch dieses Erkenntniss wird, wie theil-
weise wiederholend berichtet sein möge, der Hauptangeklagte
Jost wegen sechs Vergehen des vollendeten Betrugs und drei
Vergehen des versuchten Betrugs, ferner wegen eines Vergehens
gegen § 175 des Strafgesetzbuches zu einer
Gesammtgefängniszstrafe von einem Jahr und vier Monaten,
sowie zu einer Geldstrafe von 900 Mark verurtlieilt, an
deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit 90 Tage
Gefängniss treten sollen. Von der Anklage eines Betrugs
zum Nachtheil des Gastwirths Dieböld wird Jost freigesprochen;
die durch die Vorladung dieses Zeugen entstandenen Kosten
fallen der Staatskasse zur Last. Die Angeklagten Dr. Grosse
und Frau Wolff werden wegen wissentlicher Beihilfe, die
sie dem Angeklagten Jost in fünf Fällen des vollendeten
und drei Fällen des versuchten Betrugs geleistet haben, zu
einer Geldstrafe von 325 Mark (etwaigen Falls 32 Tagen
Gefängniss), beziehungsweise 105 Mark (etwaigen Falls
11 Tagen Gefängniss) verurtheilt. Die Angeklagten Urban
und Aufschneider werden unter Aufhebung des gegen sie
erlassenen Haftbefehls von der Anklage eines Vergehens
gegen § 175 des Strafgesetzbuches freigesprochen. Von den
Kosten des Verfahrens haben Jost s/10, Dr. Grosse und Frau
Wolff je x/10 zu tragen. Die Staatsanwaltschaft hatte bekanntlich
gegen Jost 1% Jahre, gegen Dr. Grosse und Frau
Wolff je zwei Monate, gegen Urban drei Monate und gegen
Aufschneider einen Monat Gefängniss beantragt.
*j Entnommen der „Strassburger Post" Nr. 193, Mittwoch vom
14. März er. Morgen«Ausgabe, welche uns von Herrn Dr. Wedel aus
Karlsruhe rechtzeitig zugesendet wurde, — Der Sekr. d, Red,
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