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206 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft (April 1894.)
Eindruck habe die Thätigkeit auch auf die dem Angeklagten
unbefangen nahenden Zeugen Prof. Fürstner und Naunyn
gemacht, während bei den anderen Zeugen berücksichtigt
werden müsse, dass ihre Beobachtungsfähigkeit durch die
Aufregung u. s. w. stark gemindert gewesen sei. Was die
behaupteten Heilerfolge angehe, so könne davon ein Theil
ohne weiteres mit Trof. Dr. Naunyn auf Selbsttäuschung
der angeblich Geheilten zurückgeführt werden. Hinsichtlich
eines anderen Theiles sei zu bedenken, dass Jost, der in
seiner langjährigen Thätigkeit durch Lesen mediumistischer
Bücher u. s. w. mit medicinischen Dingen einige Bekanntschaft
erlangt haben möge, in der That manchmal nicht
unzweekmässige Mittel verordnet haben dürfte, deren Anwendung
eine Heilung, wenn nicht gerade herbeigeführt, so
doch gefördert habe. Indem das Urtheil die sachverständigen
Aerzte mit Entschiedenheit in Schutz nimmt gegen die von
der Verteidigung gegen jene gerichteten Angriffe, stellt es
im einzelnen die genauen Thatbestandsmerkmale des Betruges
fest: — die Vorspiegelung der falschen Thatsache
durch den Jost, dass er infolge seines angeblich heilseherischen
Zustandes Krankenheilungen herbeiführen könne; die hierdurch
erfolgte Irrthumserregung und Täuschung der ihn
im Glauben an seine besondere Heilkraft besuchenden
Personen; deren Vermögensbeschädigung, insofern sie anstatt
eines in ihrer Annahme als besonders werthvoll gehaltenen
Eathes nichts als die rohe Empirie eines groben Curpfuschers
genossen hätten; das Bewusstsein des Angeklagten von dieser
Vermögensbeschädigung und seine Absicht, sich hierdurch
einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, welche
daraus hervorgehe, dass er sein angebliches Heilverfahren
gewerbsmässig betrieben habe und sich bewusst gewesen
sein müsse, dass er auf die Geldleistungen seiner Patienten
keinen Anspruch habe. — Es werden sodann in dem Urtheil
die sechs Fälle des vollendeten Betrugs (Schull, Held,
Kaltenbach, Schmitt, Wronker und Kolb), ferner die drei Fälle
des versuchten Betrugs (v. Bergmann, Göller und Dr. Müller)
einzeln dargestellt und der Fall Diebold als nicht genügend
aufgeklärt und deshalb in diesem einen Punkte zur Frei^
sprechung des Angeklagten führend ausgeschieden. — Hinsichtlich
der Strafzumessungsgründe wird als erschwerend
der Umstand hingestellt, dass Jost trotz wiederholter vorhergegangener
Bestrafung von seinem Treiben nicht abgelassen
habe, als mildernd die Verwendung eines nicht unerheblichen
Theiles des aus seiner Thätigkeit gezogenen Gewinnes zu
Wohlthätigkeitszwecken. In Anwendung der §§ 263, 43 und
74 Strafgesetzbuchs wird darauf gegen Jost wegen jedes der
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