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Wittig: Ein hellsehendes Heilmedium im Kampfe ete. 215
Ein sehr suggestionsfähiges Individuum kann nicht nur
suggerirt werden, sondern kann sich auch selbst suggeriren;
so giebt es Leute, welche sich suggeriren, grosse Heilkünstler
zu sein (es ist das schon die Grenze des Grössen-
wahns), und welche unter dem Einfluss dieser Autosuggestion
die grössten Dummheiten begehen.
Diese Autosuggestion kann mitunter eingeleitet sein
durch einige zufällige Erfolge, so z. B. die Erfolge des
Pfarrers Kneipp auf dem Gebiet der Wassertherapie.
Es wird keinem Menschen einfallen, den Pfarrer Kneipp
für einen bewussten Schwindler zu halten; Kneipp hat, wie
sich ja die Hydrotherapie von jeher gegen functionelie
Nervenkrankheiten bewährt hat, auf diesem Gebiete vielleicht
durch die originelle Anwendung dieser Methode
allerdings einige Heilerfolge erzielt, da wo vielleicht bewährte
Aerzte durch weniger zähe Ausdauer gescheitert
sind; aber durch diese Erfolge berauscht, ist er Autosuggestionist
geworden und wendet nun die Wasserheilmethode
gegen alle möglichen Krankheiten an, Krebs,
Schwindsucht, Nierenkrankheiten u. s. w., wodurch er
manchmal den grössten Schaden anrichtet, in dem guten
Glauben, sich der Menschheit nützlich zu erweisen.
Dies, sagt Professor Bernheim, könnte auch der Fall
des Angeklagten Jost sein, auch er könnte ein Autosuggestionist
sein, überzeugt, dass er dazu berufen ist, die
Menschen zu heilen.
Was hat aber Herr r. Schottenstein aus dieser Antwort
gemacht ?
Er hat einfach, wie es einem guten Rechtsanwalt geziemt
, das aus dem Briefe weggelassen, was seinem Klienten
zum Nachtheil gerathen könnte, um nur das hervorzuheben,
was ihm nützlich war.
Dadurch aber, dass er die Ideen des Prof. Bernheim
aus ihrem Zusammenhange gerissen hat, bat er den Sinn
derselben vollständig verändert.
Wenn er z. B. aus dem Briefe des Prof Bernheim liest: —
Der Angeklagte ,<Jo$t ist ein visionnaire de bonne foi,
ein Autosuggestionist, parlant ä travers les caprices d'une
imagination delirante", —
ferner: — „es ist möglich dass Jost wirklich hypnoti-
sirt, es ist möglich, dass er sich die Macht zuerkennt,
Krankheiten zu heilen, u. s. w. . .
Arbeiten von Dr. med. William Baker Fahnestock seit 1833 begründet
worden. Vgl. „Psych. Stud." Januar- und Februar-Heft 1883 S. 1,
56 ff. und S. 9, 66 ff., ferner September-Heft 1883 S. 393 ff.. —
D. Sekr. d. Red.
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