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216 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
so glaubt natürlich Jedermann, dass Prof. Bernheim den Angeklagten
Jost als Hellseher anerkennt; wenn man sie aber
im Zusammenhang betrachtet, so geht grade das Umgekehrte
daraus hervor.
Die Schule von Nancy ist noch nie für Hellseher ei
eingetreten; das ist die Sache einiger exaltirter Aftergelehrten
, nicht aber einer wissenschaftlichen Corporation.
Gb. Gegenäusserung des Vertheidigers Freiherrn
Schott v. Schottenstein.
Wir*) haben diese Darstellung Herrn Rechtsanwalt
Schott v. Schottenstein vorgelegt und von ihm folgende
Gegenäusserung zur Veröffentlichung erhalten: —
Niemand gesteht Herrn Prof. Dr. Bernheim bereitwilliger
das Recht zu, gegen „die verkehrten Anschauungen
zu protestiren, welche sich im Publikum breit gemacht
haben," als ich. Anderseits aber kann auch ich nicht dazu
schweigen, wenn die Legendenbildung anfängt, auch meine
Thätigkeit in der beregten Angelegenheit mit in ihren
Kreis zu ziehen. Dies geschieht aber in der Darstellung
des Herrn Dr. Weül selbst. Und zwar in zwei Punkten.
I.
Herr Dr. Weill sagt, ich habe in meinem Briefe an
Herrn Professor Bernheim — „die sichernde Macht der
Schule von Nancy gegen den strafenden Arm der Gerechtigkeit
angerufen." —
Nichts hat mir ferner gelegen! Jeder Unparteiische
wird das sofort ersehen, wenn er meinen Brief an Herrn
Professor Bernheim selbst vor Augen bekommt. Da heisst
es: —
„Es scheint mir von der allerhöchsten Wichtigkeit, dass
die wissenschaftliche Existenz und die Eigenart des
Magnetismus und des hypnotischen Schlafes vor dem
Gericht von einem Sachverständigen ersten Ranges erläutert
werde. Man will Herrn Jost ungeachtet der fast
zahllosen Zeugnisse geheilter Patienten wegen Betruges
verurteilen, ohne ihn von Experten vorher beobachten
und ohne von Amtswegen ein Gutachten eines Spezialisten
auf dem Gebiete des Magnetismus abgeben zu lassen.
Die Anklage beruft sich lediglich auf die Meinung der
Herren Professoren Dr. Naunyn und Dr. Fürstner zu
Strassburg, welche Jost niemals untersucht und niemals
*) Die Redaction der „Strassburger Post" Nr. 205 v. 17.toMärz er.
D. Sekr. d. Red.
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