http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0237
Kurze Notizen.
229
gesprochenen Worten und Anrufungen kund, welche immer
schöner, ausgeprägter und ergreifender wurden, je tiefer die
Säge drang. Er wurde zuletzt eigentlich beredt und erging
sich in den auffallendsten Aeusserungen, welche, so wie der
Schmerz abnahm, in wehmüthige Betrachtungen übergingen,
bis zuletzt alles verbunden war und er wieder still wurde.
Der Mann sah aber nicht intelligent aus, und ich möchte
fast behaupten, dass er noch nie in seinem Leben so gut
und ausdrucksvoll, oder auch nur so klar bewusst gesprochen
habe. Ich weiss nicht, ob sich alle Unglückliche, welche
höchstem physischem Schmerze unterworfen werden, so
benehmen: — aber hier wenigstens habeich gefunden, dass
der höchste Schmerz zugleich sich in der schönsten Form
äussern kann, was zwar eine alte Geschichte ist, aber für
den Hausgebrauch durch eigene Anschauung vortrefflich
aufgefrischt wird. Für Deine musikalischen Interessen habe
ich bemerkt, dass der Rhythmus in den Schmerzäusserungen
dieses Mannes ein durchaus gemessener, fast langsamer und
gravitätischer war, aber äusserst fest und nachdrücklich."
--(Jacob Baechtold: — „Gottfried Keller in Heidelberg
und Berlin. 1848—1855. Nach den Briefen mitgetheilt/*
„Deutsche Rundschau*' Nr. 1 v. 1. October 1893 S. 30 ff.) —
Wer gedächte hierbei nicht an Dr. med. W. B. FahnestocJtfs
Beispiele der „Statuvolence" in dessen gleichnamiger Schrift
(Leipzig, Oswald Mutze, 1884) X, 46 S. gr. 8° 1 Mk., ausführlicher
betitelt: — „Statuvolence oder der gewollte
Zustand und sein Nutzen als Heilmittel in Krampfzuständen,
und bei Krankheiten des Geistes und Körpers." — Dieser
Zustand ist durchaus nicht dasselbe, was die moderne
„Hypnose" ist und angeblich Alles sein soll.
e) Der kleine „Sehiofer", — Der „Schlofer" von Dorlisheim
ist eine Weltberühmtheit geworden. Seine Verhaftung hat
das Interesse für seine Geheimkunst in den Vordergrund
gestellt. Es dürfte daher für weitere Kreise interessant
sein, von einem kleinen „Schlofer", der freilich längst ein
alter Mann geworden, zu berichten. Machen wir einen
Rückblick von 50—60 Jahren. — Der kleine „Schlofer"
oder der kleine „Bäschele", wie er allgemein genannt wurde,
erblickte das Licht der Welt in einem rebenumrankten
Orte unseres Elsasses, Die Grazien haben ihm kein
Wiegenlied gesungen. Der Vater konnte beim Zählen
seiner „lieben Häupter" oft recht nachdenklich werden.
War doch der ^kleine Bäschele" der neunte im Bunde!
Doch der Kampf ums Dasein ward abermals rüstig aufgenommen
, und der Benjamin der Familie half wacker mit.
Wodurch? Durch seine Kunst. Der kleine „Bä$cheleu
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0237