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230 Psychische Studien. XXI, Jahrg. 4. Heft. (April 1894.)
strömte buchstäblich von Magnetismus. Was mit ihm in
Berührung kam, wurde geheilt. Geschwüre, geheime Gebrechen
u. s. w. verschwanden durch blosses Streichen mit
der Hand. Bald galt der kleine „Bäschele" als Wunderkind.
Aus der Umgegend strömten die Gebrechlichen herbei.
Sein Wunderruf drang immer weiter, und zuletzt begann
ein Wallfahrten aus Nah und Fern, wie es Dorlisheim in
den letzten Jahren erlebt. Das Hauptkontingent lieferten
Gicht, Rheumatismus, Zipperlein, überhaupt die periodisch
wiederkehrenden Leiden. Bei diesen Leidet galt die Einwirkung
des kleinen „Schlofers" geradezu als unfehlbar.
Eine längere Berührung war jedoch hier Bedingung. Man
wählte hierbei die einfachste Methode, und der Patient legte
sich mit dem kleinen „Bäschele" zu Bette. Auf Monate
hinaus war das Lager immer versprochen und verschrieben.
Jeder Tag brachte neue Gäste, fremde Gesichter ins Dorf.
Ganze Reihen von Kutschen füllten oft die Strassen. Noble
Herrschaften, die ganze Tagereisen zurückgelegt, kehrten
bei „Bäschele's" Vater ein. Hohe Militärs, alte gichtbrüchige,
hypochondrische Generale kämpften um das Bett des
Knaben, als gelte es die Eroberung einer feindlichen Stadt.
Einmai brachte man auch eine besessene Frau. „Bäschele's"
Vater, der eine herkulische Gestalt war, wollte die Frau
bewältigen und sie zur Ruhe zwingen. Es gelang ihm auch,
aber da wollte der kleine „Bäschele" nicht mitmachen, er
fürchtete sich und lief auf und davon. Der Vater fürchtete
für die Kunst seines Söhnleins und stand von allen Gewaltmitteln
ab. Der kleine „Bäschele16 war oft auch recht eigensinnig
und wollte nicht immer allen Anforderungen zu
Willen sein. Es war dann komisch zu sehen, welches Maass
von Liebkosungen die Gäste sich leisteten, um den kleinen
Widerspenstigen willig und geneigt zu machen. — Die
Blüthezeit des kleinen „Bäschele" dauerte vom siebenten bis
zwölften Lebensjahre. Von diesem Zeitpunkte nahm die
ausströmende Kraft zusehends ab, bis sie zuletzt ganz
verschwand. Der Vater zog einen reichen Gewinn aus der
Heilkunst seines Sohnes. Der „Bäschele16 durfte studiren
und ward Schullehrer. Der kleine „Schlofer" erreichte ein
sehr hohes Alter und bewahrte zeitlebens eine starke
Nervosität. (Aus der „Strassbuxger Bürger-Zeitung" Nr. 26
v. 31. Januar 1894.)
g) -f Heimgang des berühmten Heilmediums
George Milner Stephen. — Aus dem australischen
„Brunswick Medium" vom 20. Januar er. erfahren wir seinen
am Dienstag d. 1(5. Januar 1894 erfolgten Tod, im Alter
von 82 Jahren und »eine am folgenden Tage auf dem
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