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Wedel: Mystische Erscheinungen in Sage u. Volksaberglauben. 235
giebt in seinen Balladen eine auf die Vereinigung beider
Königreiche sich beziehende.1)
Ehe wir jedoch diesen Gegenstand, das Erforschen des
Verborgenen verlassen, möge es mir gestattet sein, noch
eine Art desselben zu erwähnen, die absichtliche Verständigung
zwischen zwei von einander entfernten Menschen. Sie
wurde durch den magischen Kompass bewerkstelligt.
Zwei Freunde, welche sich von einander trennen müssen,
lassen sich zwei an Grösse, Gestalt und Gewicht gleiche
Dosen machen, wie solche für einen Kompass gebraucht
werden, und schreiben in denselben rund herum das
Alphabet. Dann lässt man sich aus dem nämlichen Stücke
Magnetstein zwei Nadeln machen, welche man in den
Büchsen aufhängt Es wird nun eine Stunde verabredet,
in welcher man nach den Büchsen schauen wolle. Bewegt
nun der Eine die Nadel seines Kompasses nach einander
auf die verschiedenen Buchstaben eines Wortes, so rückt
der Zeiger in jenem des Freundes auf den nämlichen.2)
Wenn es auch mehr als zweifelhaft sein dürfte, dass der
Versuch in dieser Weise ausgeführt, von Erfolg gekrönt
sein dürfte, so wollte ich die Sache doch nicht unerwähnt
lassen, weil in ganz analoger Weise manchmal heutzutage
bei spiritistischen Sitzungen Botschaften herausbuchstabirt
werden. Es mag also auch diesem Irrthum eine richtige
Beobachtung zu Grunde liegen.
Haben wir uns im Vorstehenden hauptsächlich mit
solchen Erscheinungen beschäftigt, welche entweder geradezu
Böses bezweckten oder doch für hervorgebracht mit Hilfe
des Bösen galten, so kommen wir nunmehr zu Gebräuchen,
wo dieser Glaube nicht mehr vorherrscht, und die mehr
oder minder in das Gebiet der weissen Magie gehören.
Hauptsächlich handelt es sich hier um Heilungen auf
übernatürlichem Wege. Das bekannteste Verfahren
ist das rein geistige durch „Willensbeeinflussung", die
„Sympathie", das „Besprechen". Es wird in der Weise
ausgeübt, dass man bei dem Kranken, oder auch entfernt
von ihm, gewisse Formeln aufsagt, an deren Heilkraft der
Leidende und der Heilende unverbrüchlich fest glauben
müssen, wenn sie von Erfolg begleitet sein sollen. Uralt
ist dieser Gebrauch; man kann ihn bis in jene Zeiten
hinauf verfolgen, wo die Weltgeschichte vom Nebelmeere
der Sage gänzlich verhüllt wird. Schon aus den Zeiten der
Sumerer und Akkader sind uns auf den in der Gegend von
1 > Scott: — Anmerkuog zu „The vision of Don Roderik." Einleitung.
3) Most: — „Sympathie." S. 65. [Vgl. Äksakow: — „Animisums
und Spiritismus" 2.Bd. 8. 546 ff. — D. Sekr. d. Red.] —
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