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248 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1894.)
die von leibhaftig aus ihren Gräbern „in die Wohnungen der
Günstlinge des Teufels" (nach christlicher Anschauung) nur
bei Narcht oder Dunkelheit Wiederkehrenden, unter denen
wir wohl nur die in den heimlich weiter gepflegten spiritistischen
Cirkeln oder sog. „Mysterien" des Alterthums, hier speziell
den der Venus gefeierten „Adonien, Aphrodisien und nächtlichen
Pervigilien" Erscheinenden zu verstehen haben, bietet
sich mir durch einen günstigen Zufall in einem in den
„Blättern für literarische Unterhaltung" Nr. 39 v. 29. September
1892 enthaltenen Artikel von Otto immisch über —
„Die Braut von Korinth."
Da jedoch dieses aus 28 Strophen ä 7 Verszeilen
bestehende Gedicht den meisten unserer Leser wohl
noch unbekannt sein dürfte, so geben wir es vorerst vollständig
wieder, um ihnen das Folgende verständlich zu
machen: —
Die Braut von Korinth.
Nach Korinthus von Athen gezogen j Kam ein Jüngling, dort
noch unbekannt. | Einen Bürger hofft er sich gewogen; | Beide
Väter waren gastverwandt, | Hatten frühe schon | Töchterchen und
Sohn | Braut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen, | Wenn er theuer
nicht die Gunst erkauft? | Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft | Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb* und Treu | Wie ein böses Unkraut ausgerauft
Und schon lag das ganze Haus im Stillen, | Vater, Töchter;
nur die Mutter wacht. | Sie empfängt den Gast mit bestem Willen, |
Gleich iu's Prunkgemach wird er gebracht. | Wein und Essen
prangt, | Eh' er es verlangt; | So vorsorgend wünscht sie gute Nacht.
Aber bei dem wohlbestellten Essen | Wird die Lust der Speise
nicht erregt; | Müdigkeit lässt Speis' und Trank vergessen, | Dass
er angekleidet sich aut's Bette legt. | Und er schlummert last, |
Als ein seltner Gast | Sich zur offnen Thür hereinbewegt.
Denn er sieht: bei seiner Lampe Schimmer | Tritt mit weissem
Schleier und Gewand | Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn' ein schwarz- und goldnes Band. | Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt, | Mit Erstaunen eine weisse Hand.
„Bin ich", rief sie aus, „so fremd im Hause, | Dass ich von
dem Gaste nichts vernahm? | Ach, so hält man mich in meiner
Klausel | Und nun überfällt mich hier die Scham. | Ruhe nur so
fort | Auf dem Lager dort, | Und ich gehe schnell, so wie ich kam." —
'Bleibe, schönes Mädchen V ruft der Knabe, | Rafft von seinem
Lager sich geschwind: | 'Hier ist Ceres\ hier ist Backup Gabe, |
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