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Proy: Mediumistisches aus meinem Leben.
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psychologischen Vorkenntnisse des Publikums den scheinbar
so einfachen und verständlichen Lehren des Materialismus
nicht Stand zu halten vermögen.
Und so lange der Studienplan unserer Mittelschulen
dem philosophischen und namentlich psychologischen
Studium keinen grösseren Raum gewährt, als bisher, so
lange namentlich Psychologie in so mangelhafter, obsoleter
Weise tradirt wird, ist an einen Wandel in dieser Hinsicht
nicht zu denken, und werden die Anhänger des Spiritualismus
von der ignoranten Menge immer nur Spott und Hohn zu
gewärtigen haben. —
Doch ich habe noch einige mystische Erlebnisse
aus den siebziger Jahren zu erwähnen, daher ich von diesem
theoretischen Excurse zu meinem eigentlichen Thema zurückkehre
. — Im Herbst 1869 führte mich nämlich mein
Beruf in das schöne Oberkrain, wo ich einige Jahre in dem
Städtchen Radmannsdorf bis 1873 recht angenehm verlebte.
Mystisches ist mir selbst dort zwar nicht begegnet, doch will
meine Frau (dritter Ehe, zu welcher ich kurz vorher noch
in Villach geschritten war), als sie eines Nachts meine verspätete
Rückkehr vom Lande erwartete, die „gespenstige
Kutsche", welche sich alljährlich in Radmannsdorf zu einer
gewissen Zeit auf ihrer .Fahrt vom Schlosse gegen den
ausserhalb des Städtchens gelegenen Schlossgarten (auf dem
schlechten Pflaster des Ortes) hören, jedoch nicht sehen
lässt, — wirklich unmittelbar unter den Fenstern unserer
Wohnung vorbei rasseln gehört haben, so dass sie, von
Neugierde getrieben, wer denn noch so spät in dem sonst
so ruhigen Städtchen fahren möge, eiligst zum Fenster
sprang, jedoch keinen Wagen erblickte, wohl aber das
Gerassel noch in unmittelbarster Nähe vernahm, welches
nach einigen Schritten Entfernung plötzlich aufhörte. —
Sie liess sich, als ich bald darauf nach Hause kam
und ihre Erzählung vom angeblichen Wagengerassel als
Gehörshallucination wegspötteln wollte, durchaus nicht
überreden und behauptete immer und immer wieder, sofort,
wie sich das Wagengerassel vernehmen liess, an das offene
Fenster getreten zu sein, das Vorüberfahren fast unmittelbar
unter unseren Fenstern auf der geraden Strasse gehört,
ohne irgend einen Wagen gesehen zu haben, — welches
Fahrgeräusch dann, nicht weit vom Hause entfernt, plötzlich
aufhörte. — Wie bereits erwähnt, ist die Sage von der
„unsichtbaren Kutsche" in Radmannsdorf gang und gäbe,
und so mag auch diese Grehörsempfindung meiner Frau nicht
ohne objective Ursache gewesen sein, die ich jedoch nicht
weiter verfolgte.
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