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Kurze Notizen.
S21
vonDorlisheim' Jost, der Mitangeklagte Dr. med. Grosse
und die Ehefrau Wolff gegen das Urtheil der Strafkammer
des Landgerichts in Zabern eingelegt hatten, durch welches
sie am 13. März wegen Betrugs und beziehungsweise
Betrugsversuches und Beihülfe verurtheilt worden waren.
(Str. Post.)*' — Diese selbst erhielten wir in ihrer Nr. 341
vom 11. Mai mit obiger Originalnotiz erst am 15. Mai von
befreundeter Seite und fanden darin nichts Näheres. Die
am 17. Mai uns zugegangene „Strassburger Bürger-Zeitung"
Nr. 109 v. 11. Mai enthielt folgende Auslassung: —
„Dorlisheim, 10. Mai. Das letzte Stündchen des
Schlofer-Processes hat geschlagen. Wie man sich erinnert,
Hess es der Schlofer bei dem Urtheil des Landgerichts
Zabern nicht bewenden, sondern legte Revision beim
Reichsgericht in Leipzig ein. "s hat alles nichts geholfen,
Es zog ihn doch vom Ross.1 — Das Leipziger Reichsgericht
bestätigt das Urtheil des Zaberner Gerichtshofes. Und der
Schlofer muss jetzt die ganze Sauce auslöffeln — wie jeder
andere Sterbliche auch. Sic transit gloria mundi.u — So
spricht nur die reine Schadenfreude eines an der Verurteilung
Interessirten. Wir verwundern uns aber mit Recht
über dieses Todtschweigen eines so eklatanten Falles
besonders im „Leipziger Tageblatt", während sonst über die
geringfügigsten Vergehen und Gerichtsverhandlungen
gewissenhaft und ausführlichst Bericht erstattet wird. Ist
das wohlberechnete Absicht? Soll dieses Schweigen das
Volksgemüth in Hypnose erhalten? Wir möchten auf
unseren Fall die Worte von Franz Servaes über den
französischen Schriftsteller Henri Chambige anwenden, der am
25. Januar 1888 in Algier die Frau Ober-Ingenieur
Magdelaine Grille tödtete, „weil es schön wäre, so zu sterben",
und auf sich einen verunglückten Selbstmordversuch machte.
Dieses „schöne Ziel" zu erreichen, sagt er, — „das fiel einzig
unter die unberechenbare Logik der Ereignisse. Diese
Logik aber vollzieht sich ganz unabhängig davon, was das
arme Menschlein wünscht und erstrebt. Wofern diese
Wünsche nicht selbst wieder reale Factoren werden, mit
denen sie arbeitet, lässt sie sie ganz ausser Acht. Bei
Chambige war das Wünschen und Trachten ein solch realer
Factor geworden, der in der Logik der Ereignisse eine
Rolle spielte: — das giebt seinem Schicksal die exceptionelle
Stellung. Aber liegt darin eine Schuld? Ich meine nicht:
— im Sinne des Gerichtshofes, — denn der hat ja sein
Votum gefällt und zur Ausführung gebracht, — sondern im
Sinne einer rein-menschlichen Betrachtungsweise. Ich finde,
dass bei Chambige sich alles mit wunderbarer Consequenz
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