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324 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1894.)
nirgends beanstandete, von Jedermann in der Gemeinde
rückhaltlos anerkannte Ueberzeugung der Gegenwart ausdrückte
; bei der Confirmation soll die heranwachsende
Generation sich zu derselben Formel bekennen und an ihr
Zeitlebens festhalten zu wollen geloben. Das eine wie das
andere bedeutet eine Vergewaltigung der Gewissen.'" —
Also dem Teufel wollen diese sogenannten liberalen, freisinnigen
Protestanten nicht einmal mehr mit der Formel
entsagen: — „Ich entsage dem Teufel uad allen seinen
Werken!" — Wenn sie dann wenigstens hervorgehoben
hätten, dass sie dann allem Teuflischen in Gedanken,
Worten und Werken entsagen und auch ihre Kinder in
dieser Lehre und Lebensführung taufen und confirmiren
lassen wollten! Sie wollen aber von einem persönlichen
Teufel, von persönlichen bösen Geistern im Diesseits und
Jenseits nichts mehr wissen, und in Consequenz davon wohl
ebenso wenig von persönlichen guten Geistern. Damit ist
aber von ihnen der ganze Spiritismus in Frage gestellt.
Das ist eben diejenige ungläubige Richtung im sogenannten
liberalen Protestantismus, welche gegenüber der orthodoxen
Partei in beiden Hauptlagern, die wieder nur ihren
specifischen Teufel mit Hörnern, Schwanz und Klauen und
ihre selbsteigenen guten (Deister mit Engelsflügeln dogmenartigen
Gepräges haben will, den grössten Hemmschuh für
die Verbreitung einer wahren Lehre über die
eigentliche Geisterwelt bildet. Denn sie schütten
das Kind mit dem Bade aus, sie verwerfen den Glauben
an persönliche gute und böse Geister im Jenseits und an
die Besessenheit der Menschen von solchen im Diesseits
ganz und gar, weil sie mit ihren leeren Denk-Abstractionen
nicht mehr begreifen, dass im Grunde genommen alles Böse
wie Gute stets persönlich war, ist und sein wird. Was
würde wohl Luther dazu sagen, der sein Tintenfass doch
wohl nach einem persönlichen Teufel schmiss?! Vgl. „Psych.
Studien" April-Heft 1876 & 179 ff.) War es denn nicht
Dr, Martin Luther, der geschrieben hat: — „Ueber das ist
khein Zweyfel, dass Pestilentz und Fiber und ander schwer
Krankheyten nichts anders sein, denn des Teufel werkhe." . .
„Ja, das Elend ist nöthig für die Welt, als Zuchtruthe
zum Reiche Gottes: — die Welt kann nicht ohne Tyrannen
sein, und Gott straft einen Buben mit dem andern"? —
Oder ist etwa der Teufel des Materialismus, der Gewinnsucht,
der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung und Ausbeutung der
ärmeren Menschenbrüder durch die Reicheren, der in der
Jetztzeit alle Fragen des Sozialismus aufgerollt hat, der Teufel
der Herrschsucht, der Lieblosigkeit und Gewalthaberei gar
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