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326 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1894.)
Herrn 'Hausvater' Ruhmer zusammengestellt Der 'Wächter*
stösst überall, wo er Satanas ahnt, kräftig mit dem Spiesse
drein. Neuerdings geht er gegen Goethe los. Er schreibt:
— föoethe war bekanntlich ein Deutscher; sein berühmtestes
Buch ist der 'Faust. In diesem Werke hat er seine
'religiösen' Meinungen dargelegt und der Sünde ein Loblied
gesungen. [Aber der Hansvater vergisst, dass Goethe im
'Faust die Existenz des Teufels und seines Anhangs, wie
die einer höheren Geister- und Gotteswelt anerkennt. —
Der Sekr. d. Red.] Er ist desselben Geistes Kind, wie
ein [amerikanischer] Schriftsteller Robert Ingersott, und
stimmt mit diesem modernen Lästermaul recht schön
überein. [Wäre es umgekehrt nicht etwas richtiger gesagt?
— DerSekr. d. Red] Goethe hat auch einen unmoralischen
Lebenswandel geführt und das sechste Gebot gröblich übertreten
. [Wann und wo denn? — S. R.J Während aber
Ingersoll in alle Welt ausposaunt, dass er darauf ausgehe,
Christi Reich zu zerstören und die Bibel zu bekämpfen, hat
der Dichter Goethe solches nie gethan, sondern er schreibt
unter dem Vorwande, dass es ihm darum zu thun sei,
Verstandesbildung und Kunstsinn zu fördern. Goethe hat
sich aber dennoch der Dichtkunst bedient, um seinen gottlosen
und widerbiblischen Ideen Ausdruck zu geben. Wenn
der Weltmann Goethe durch seine Poesien uns aus der
Gewalt der Sünde erretten und selig machen kann, (was
er gar nicht beabsichtigt hat,) dann wollen wir es gut
heissen, dass man seine Schriften den jungen Leuten in der
Schule in die Hand giebt. Weil dies aber nicht der Fall
ist, darum kann man nur bedauern, dass wegen des Bischen
Kunstsinns und Sinnenkitzels, den Goethes Schriften bieten,
Viele ihren Christenglauben verloren haben, dass sie um
eines armseligen Linsengerichtes willen ihre Seligkeit verscherzen
; wir sagen, es ist zu bedauern, dass der Teufel
eine so reiche Ernte einheimst aus der Saat, die sein
berühmter Diener Goethe ausgestreut hat; denn eine einzige
Seele ist in Gottes Augen höher geachtet, als alle Poesien
und Schriften Goethe^. Weil diese Schriften so vielen Seelen
zum ewigen Schaden dienen, darum ist es nur zu beklagen,
dass sie gedruckt worden sind, obgleich durch dieselben
Manches erzielt worden ist im Interesse der 'Bildung'. Es
ist nicht zu verantworten, dass man solche Bücher in seinwollenden
christlichen Hochschulen benutzt/ — Herr Ruhmer
soll beabsichtigen, für 'seinwollende' Hochschulen eigene
Gedichte zu verfassen." — So der Correspondent des
„Leipziger Tageblattes." Tst das nicht unverfälschter
protestantisch-orthodoxer Jesuitismus? Denn als ich vou
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