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Kurze Notizen.
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bestimmt behauptet, Eugenie sei weniger abergläubisch als
ihr Mann *) „Als ich noch in Spanien war", — hatte sie
gesagt, — „lehrte man mich an eine Masse Zeugs (un tas
de choses) glauben, an Reliquien u. dgl. m., aber ich halte
nichts mehr davon." — Sie bewahrte nur ihre strenge
Frömmigkeit. Napoleon dagegen, der keine religiöse Ueber-
zeugung hatte, sagte eines Tages zu einem mit ihm vertrauten
Gelehrten, indem er auf ein längliches, vor ihm stehendes
Kästchen deutete: — „Sehen Sie, mein lieber X, darüber
ist nichts zu sagen, der, welcher über dies Ding gebietet,
ist der obersten Gewalt sicher." — Das Ding war angeblich
das Reliquiarium Karl's des Grossen. So hielt er auch grosse
Stücke auf den Geisterbeschwörer Hörne, der auf solchem
Fusse mit ihm stand, dass er noch während der Belagerung
in Versailles erschien, um als wahres Medium seinen Ver-
mittelungsberuf zu versuchen. Irre ich nicht, so endete
dieser Spuk mit einer Ausweisung. Napoleon glaubte fest an
Home. Einer aus seiner Umgehung spottete über das Klopfen
und die unsichtbaren Ohrfeigen, deren der Kaiser mehrere
gläubig eingesteckt hatte, und machte sich anheischig, beide
Mirakel auf natürliche Weise zu erklären. Die Hofleute
baten ihn, doch dem Kaiser selbst seine Entdeckung mit-
zutheilen, und veranstalteten es, dass er bei der Tafel in
der Nähe des Souverains war, als der Gegenstand aufs
Tapet kam. Aber der Kaiser wurde sehr verstimmt über
den Versuch der Aufklärung, wollte nichts davon hören
und sagte schliesslich: — „Ich weiss schon, so seid ihr
gelehrten Leute, was ihr nicht regelrecht beweisen könnt,
daran erlaubt euch euer Stolz nicht zu glauben."**) — Es
war überhaupt ein kurioser Hof, an dem Leute wie Home,
die Bänkelsängerin Theresa, der Possenreisser und Hornist *
Vivier eine Art Vertraulichkeit genossen und der Leibzahnarzt
eine politische ßolle spielte.***) — (1. Beilage zum
„Leipziger Tageblatt" Nr. 295 v. 12, Juni 1894.)
*) Vgl. dagegen „Psych. Stud." Mai-Heft 1890 S. 239 ff: —
,,Eine visionäre Ahnung der Kaiserin Eugenie." — D. Sekr. d. Red.
**) Vgl. über Home und Napoleon III. „Psych. Stud." October-
Heft 1887, S. 497 ff., aber auch das Werk der Wittwe Hornel mit weit zuverlässigeren
Kachrichten über diese Erlebnisse im August-Heft 1886,
S. 383, cfr. Juli* Heft 1874 S. 331 ff. Home war während der Belagerung
von Paris 1870/71 nicht bei Napoleon I., sondern vielmehr
bei Bismarck und Kaiser Wilhelm I. in Versailles am 10. October 1870.
Bamberger verwechselt damit frühere Besuche Hornel bei Napoleon. —
Der Sekr. d. Red.
***) Vgl. „Psych. Stud." April-Heft 1892, S. 184 sub f) Schmolte
Mittheilung über Napoleon'» HL Arzt Dr. G. — Der Sekr. d. Red.
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