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408 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 7. Heft. (August 1894.)
Fortschritte in allerlei Geheimwissenschaften gemacht und
einen eifrigen Verkehr mit der Geisterwelt unterhalten
haben. Statt des abendlichen Kartenspiels befragen wir
diesen runden Tisch nach vielen Dingen, die wir zu wissen
wünschen, und selbst ich, die anfangs ganz ungläubig war,
bin nach und nach bekehrt worden. Ich sehe, dass Sie die
Achseln zucken. Die moderne Naturwissenschaft hält ja
alle spiritistischen Experimente für Humbug, und da freilich
auch viel Betrug mit unterläuft, lasse ich kein Medium und
keinen Hypnotiseur über meine Schwelle. Ein hölzerner
Tisch aber — was hätte der für ein Interesse dabei, uns
hinter's Licht zu führen, zumal wir seine Orakel ja auch
kontrolliren können.* — ,Und sind diese geisterhaften Offenbarungen
immer als zuverlässig und richtig von Ihnen
befunden worden ?' — erwiederte Dr. Philipp, indem er sich
bemühte, seipe Worte nicht allzu höhnisch klingen zu lassen.
'Nicht immer natürlich. Manchmal lauten die Antworten
zweideutig, manchmal versagen sie ganz; dann wieder treffen
sie sc wunderbar zu, dass man ihren übernatürlichen
Ursprung nicht bezweifeln kann. Mein Gott, allwissend kann
ja so ein abgeschiedener Geist nicht sein, und Sie wissen
ja, ein Narr — ich bitte um Verzeihung, meine Herrschaften,
— ein Narr kann mehr fragen, als zehn der weisesten
Tische beantworten können. Aber Sie sollen selbst urtheilen,
lieber Doctor. Röschen hat sich schon darauf gefreut, was
Sie für ein Gesicht machen würden, wenn Sie einmal einer
solchen Sitzung beiwohnten.' — ,Ich bitte, mich aber aus
dem Spiel zu lassen, Frau Stadträthin*, wehrte Philipp ab.
,Ich fürchte, in meinen Pingerspitzen fehlt das nöthige
Muidum, und ich würde den Erfolg nur vereiteln, wenn ich
Kette mit schliessön wollte/ — 'Nein, nein', sagte die
Tochter rasch. 'Sie müssen mitthun, Sie glauben sonst, es
ginge nicht ehrlich dabei zu, und irgend einer von uns
mache sich den Spass, die anderen zu betrügen. Kommen
Sie nur und nehmen Sie sich recht ernstlich vor, die Sache
zu hintertreiben. Sie werden sehen, der Tisch behält das
letzte Wort/ — Gleich darauf hatte man das Theegeschirr
und die Decke entfernt, und die sieben oder acht Personen,
die um den runden Tisch sassen, schlössen mit ausgespreizten
Händen die magische Kette, in aufgeregter Geduld der
Dinge harrend, die da kommen sollten." — Nun lässt Herr
Heyse den Geist des eifersüchtigen Weinreisenden Heinrich
Müller in den Tisch schlüpfen und diesen durch alphabetisches
Klopfen die heimliche Liebschaft des Doctors mit Gundula
offenbaren! — Tableau! — Der Doctor vertheidigt seine
Anwesenheit im Hause „Zum Ungläubigen Thomas" und die
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