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428 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 9. Heft. (September 1894.)
gesehen, dass sie denselben aber mit der Hand nicht hatte
erreichen können. Kurze Zeit darauf wurde ein Stück
Mauerwerk vom Ofenfusse geschleudert und schlug gegen
die Wand beim Bette. Ein Knäuel Garn fiel gleich darauf
ins Bett nieder. — Am Montag war blos ein oder anderer
kleiner Gegenstand in Bewegung. Dienstag, d. 2. April,
wurden zwei Kaffeetassen gegen eine Wand zerschmettert.
Selbigen Tags war ich am Nachmittag in die Stadt zum
Besuch geladen, wurde aber gleich nach meiner Ankunft
daselbst durch einen reitenden Boten zurückgeholt. Als ich
heimkam, erzählten meine Eltern, dass ein grösserer Grapen,
auf den Heerd gestellt, um darin Grütze zu kochen, umgestülpt
und der Inhalt verschüttet worden war. Dies war
das erste Mal, dass das Unwesen sich ausserhalb meiner
Wohnung verbreitete. Während des Gespräches hierüber
hörten wir ein Gewicht von 4 Lispfund gegen die Küchendiele
werfen, von wo es eine und eine halbe (IV2) Elle in
die Höhe sprang. Dieses Gewicht war zum Pressen von Sülze
angewendet worden.
Nach diesen Ereignissen verstrichen neun Tage und
Nächte in Stille. Am Abend des 11. April wurde ein
Teller mit Essen quer durch das Zimmer geschleudert, ein
Zinn-Napf folgte unmittelbar nach. Am Morgen des
12. April trug das Mädchen zwei Gefässe mit Milch hinein
und stellte das eine auf den Speiseschrank, wo die Milch
angebracht werden sollte, während sie das andere in der
Hand behielt, indessen sie öffnete. Das Gefäss, welches
sie auf den Speiseschrank gestellt hatte, wurde alsdann
über ihren Kopf auf den Fussboden geworfen. Mehrere
ähnliche Scenen ereigneten sich an demselben Tage. Als
ich Abends, bevor ich zur Ruhe ging, mein Abendgebet
verrichtete, wurden drei verschiedene Gegenstände über
meinen Kopf geworfen und blieben vor mir auf dem Tische
liegen. Es waren meine Mütze und zwei Kopfkissen. Das
eine derselben war unter dem Kopfe meiner ältesten Tochter
weggerissen worden. Sie schlief jedoch weiter. Ich ging
nun zu meinen Eltern hinüber, (zu welchen auch meine Frau
und die beiden jüngsten Kinder zogen), um, was geschehen
war, zu berichten. Wir hörten alsdann von meiner Wohnung
aus einen jener gewöhnlichen und doch so unheimlichen
Laute, welche entstanden, wenn ein harter Gegenstand heftig
gegen eine Mauer geworfen wurde. Das Geräusch wurde
dies Mal von einem Schemel, der gegen die Mauer schlug,
verursacht.
Nachts über wagte ich nicht, mit meinem kleinen Kinde
allein zu sein, weshalb ich einen Arbeiter meines Vaters
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