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436 Psychische Studien, XXI. Jahrg. 9. Heft. (September 1894.)
dass ich Sie so lange Zeit habe warten lassen müssen. Was
mich bei Ihnen entschuldigen dürfte, ist, dass ich nach
Ihrer Abreise zweimal krank gewesen bin.
Ich gehe also zur Seance über. Wegen der äusseren
Umstände derselben bitte ich Sie, sich an die von Fräulein
Hjelt gegebene detaillirte Beschreibung halten zu wollen.
Für meinen Theil will ich hinzufügen; — dass ich bei der
letzten Seance, welche Frau d'E. uns in Helsingfors gegeben
hat, das Glück hatte, einen sehr guten Platz zu erhalten,
um das Medium kontrolliren zu können. Ich nahm
den Platz Nr. 2 zu seiner linken Seite ein, und da der
Cirkel sehr eng gehalten war, so befanden sich meine
Kniee in beinahe nur 30 Oentimeter Entfernung von den
Knieen des Mediums. Dank dieser unmittelbaren Nachbarschaft
und dem Lichte, das ziemlich gut war, (mein Nachbar
zur Rechten konnte an seiner Uhr erkennen, wie spät es
war,) vermochte ich jede Bewegung des Mediums zu ver-
1 folgen, Auch verlor ich es keinen Augenblick aus dem
Gesicht, und ich behaupte, dass es ihm unmöglich war,
sich von seinem Platze zu erheben, ohne dass ich es bemerkt
hätte. Ich will noch hinzufügen, dass ich keineswegs unter
Denen war, welche ganz einfältiglich „glaubten4', sondern
dass ich im Gegentheil die ganze Zeit über bei wachsamer
Kritik blieb.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich zu den
Manifestationen über, die ich deutlich gesehen oder gefühlt
habe während der letzten Seance. Wir hatten noch nicht
lange dagesessen, als eine Hand sich in der Oeffnung des
Kabinets an meiner Seite zeigte. Mein Nachbar zur
Büchten, Herr Seiling, welcher den Stuhl Nr. 1 inne hatte,
sagte, nachdem er diese Hand gedrückt hatte, die sofort
wieder hinter dem Vorhange verschwunden war: — „Es
ist eine weibliche Gestalt hier, die Ihnen dringend die Hand
zu geben wünscht"; — hierauf verschwand die Hand von
neuem. Mein Nachbar ergriff schnell meine Hand und
legte sie in diejenige, welche aus der Vorhangsöffnung sich
hervorstreckte. Sie war ein wenig kalt und feucht, aber
sie drückte freundschaftlich meine Hand.
Wenige Zeit nachher öffneten sich die Vorhänge von
neuem auf meiner Seite, und ich erblickte eine grosse
schimmernde Figur, die sich in der Oeffnung unbeweglich
verhielt. Ich streckte ihr die Hand entgegen, und ich
fühlte, dass sie sich in einer viel grösseren Hand verlor,
als diejenige war, welche ich einige Momente vorher
gedrückt hatte. Die Finger schienen ein wenig steif zu
sein, beinahe wie bei einer ganz alten Person; aber als sie
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