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504 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1894.)
befand, und weil sie glaubte, im hypnotischen Zustand
Anderen von Nutzen sein zu können. — „Noch nie", —
sagt Dr. v. Vragassy, — „habe ich ein merkwürdigeres
Experiment auf dem Gebiete der Hypnose gesehen, oder
von einem solchen gehört, als am 17. d. im Tuzserer Schlosse.
Als Herr Neukomm die junge Dame hypnotisirt hatte, schien
sie sehr müde zu sein, und Herr Neukomm erklärte, dass
er diesmal einen ausserordentlich interessanten Versuch
machen werde. Sein Bruder in Werschetz breche seit einiger
Zeit Blut, die Aerzte seien aber nicht im Stande, festzustellen
, ob sein Bruder an einer Magenblutung leide, oder
lungenkrank sei. Er (Neukomm) wolle sich nun hierüber
durch Fräulein Ella v. Salamon Gewissheit verschaffen. Er
sagte dem schlafenden Mädchen in befehlendem Tone: —
'Wir sind in Werschetz. Sehen Sie meinen Bruder?' — ,Ich
finde ihn nicht', — antwortete das schlafende Mädchen. —
Neukomm erklärte ihr nun die Situation des Hauses in
Werschetz und sagte: — 'Wir sind in Werschetz. Mein
Bruder befindet sich in dem dritten Zimmer.' — ,Ja, ja',
— sagte nun Fräulein Ella im Tone fester Ueberzeugung,
— ,wir sind dort." — Neukomm: — 'Wie befindet sich mein
Bruder?' — Ella: — ,Er ist sehr krank.' — Neukomm: —
'Was fehlt ihm, erzählen Sie, was Sie sehen.' — Und nun
folgte etwas Mystisches, etwas, was kein Arzt der Welt
zu erklären im Stande ist. Fräulein Ella, die sich nie mit
ärztlichen Dingen befasst, welche nie medicinische Bücher
gelesen hat, erklärte das Leiden des Bruders von Herrn
Neukomm mit einer Sachkenntniss, welche selbst einem Arzte
zum Lobe gereichen würde. Sie sprach von der Lunge des
viele Meilen entfernten Kranken, als ob dieselbe auf einem
Teller vor ihr gelegen wäre, bediente sich hierbei technischer
Ausdrücke und bezeichnete auf das genaueste, in welchem
Zustande sich die Lunge des Kranken befinde. Dann war
Fräulein Ella sehr erschöpft, ihr Gesicht war fahl, und
Neukomm wollte nur noch eine einzige Frage an sie richten:
— 'Sagen Sie mir', — fragte er zum Schlüsse, — 'was
halten Sie von der Krankheit meines Bruders?' — Nur
schwer konnte Fräulein Ella die Worte lallen: — ,Seien
Sie auf das Schlimmste vorbereitet!' — Nach dieser Erklärung
stürzte das Mädchen vom Stuhle, ein heiserer
Schrei entrang sich ihrer Kehle, ihre Zunge streckte sich
weit aus dem Munde heraus, dann fiel Fräulein Ella
leblos zusammen. Erschrocken sprang die Gesellschaft
auf sie ein, der Puls schlug war, und Fräulein Ella athmete
noch; man gab ihr eine Aether-Injection, aber Alles war
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