http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0520
508 Psychische Studien. XXI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1894.)
Bruders befragte.) Die Salamon strengte sieh übermässig
an, um unter dem Banne der Suggestion als Clairvoyante
gefallig und, wie sie meinte, nützlich zu sein. Sie befand
sieh, während sie hallucinatorisch eine kranke Lunge zu
sehen glaubte und darüber einen längeren Vortrag hielt, in
einem grossen Erregungs- und Exaltationszustande. Am
Ende dieses Vortrages war sie — „sichtlich ungemein erschöpft
, Todesblässe überzog ihr Gesicht." — Gleichwohl
stellte der Hypnotiseur noch die offenbar das Medium höchst
emotionirende Präge nach der Prognose der Krankheit. —
„In abgebrochenen Lauten sagte die Salamon, wir müssen
auf das Schlimmste gefasst sein." — „Unmittelbar darauf
sank sie vom Stuhle mit einem heiseren Aufschrei. Die
Zunge trat aus dem Munde hervor, der Puls schlug noch,
und die Lippen bewegten sich, wie nach Luft ringend. Nach
einigen Sekunden Tod. Im Gehirn nicht ein Tropfen Blut."
— Dass der Tod durch Gehirn-Anämie eintrat, ist nach
diesem Sachverhalte nicht zu bezweifeln. Sicher lässt sich
nur sagen, dass nicht durch Erstickung (Zungenkrampf),
auch nicht durch innere Verblutung (es fehlten unter Anderem
Convulsionen), auch nicht durch eine Suggestion (Auto-
oder Fremdsuggestion), deren tödtliche Wirkung ich für
möglich halten muss, der Exitus eintrat. Alle bisherigen
Umstände sprechen für Hirntodt, sei es durch Apoplexia
serosa (der Sectionsbericht spricht von seröser Durchfeuchtung
des Gehirns!), sei es durch sogenannte Apoplexia nervosa.
Solche Fälle sind sehr selten, aber sie kommen vor. Man
führt sie auf psychischen „Shok" [Stoss] zurück und
beobachtete sie ausnahmslos bei heftigen Gemüths-
bewegungen, besonders solchen durch Schreck, jedoch bisher
nur bei wachen, in nichthypnotischem Zustande befindlichen
Personen. Fälle von Shoktodt finden sich in Schauensteirts
Arbeit: — „Ueber die Schädigung der Gesundheit und den
Tod durch psychische Insulte" — in Maschka's — „Handbuch
der gerichtlichen Medicin", — ferner im — „Lehrbuch
der gerichtlichen Medicin" — von Hofmann, sechste Auflage,
S. 720. Die brennende Frage nach dem Tod durch Hypnose
im Falle Salamon lässt sich mit Wahrscheinlichkeit dahin
beantworten, dass die ungeschickt von einem Laien unternommene
Hypnotisirung und die suggestiv hervorgerufene,
ungewöhnlich heftige Gehirnerregung mit dem Tode in
ursächlichem Zusammenhange stehen; dass aber eine
durchaus krankhaft constituirte, abnorm auf Reize reagirende
Persönlichkeit im Spiele war, ein Individuum, das auch
durch einen heftigen psychischen Shok im wachen Zustande
vom Tode hätte ereilt werden können. Einem sachverstän-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1894/0520