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Wolf: Aus dem Leben des heiligen Ignatius. 545
Hexen und Zauberern zu berichten wissen, das ist nach
meiner Ansicht eine einfache Frage des Geschmackes. Eine
historische Gewissheit ist wohl in dem einem, wie in dem
anderen Falle eine Seltenheit, und bei dem oft recht wenig
kritischen Charakter unserer mittelalterlichen Vorfahren
sogar eine grosse Seltenheit. Wir werden also auch hierbei
als besten Maaszstab die Analogie ansehen müssen, welche
zwischen dem, was uns berichtet wird, und dem, was wir
wirklich wissen, besteht, um wenigstens über die Möglichkeit
einigermaassen entscheiden zu können.
Dass viele sogenannte Heilige — wie andererseits die
Hexen — nichts anderes waren als Somnambule und Medien,
diese Thatsache, glaube ich, ist wohl zweifellos. Es wird
darum nicht mehr auffallen, wenn ich behaupte, der Stifter
des Jesuitenordens. Ignatius von Loyola, von dessen Wunderwerken
so viel erzählt wird, sei nichts anderes als ein sehr
kräftiges und begabtes Medium gewesen. Zum Beweise des
Gesagten sollen hier einige Züge erzählt werden, die einer
Lebensbeschreibung oder, wie der Titel lautet: —
„Kurtzen Lebensverfassung des heiligen natii
von Loyola u. s. w., in Teutsche Sprach übersetzet in der
Königlichen Stadt Iglau in Mähren u. s. w. (1689 gedruckt
zu Prag j im Colleg: Soc: Jesu bey St. Clement)" — entnommen
sind.
Die eigentümliche Begabung des Mannes machte sich
bereits sehr frühzeitig geltend. Bei der Taufe war man in
Zweifel, wie das Kind heissen solle; da sprach der neugeborene
Knabe selbst die Worte aus: — „Ignatius est
nomen meum." (S. 2.) — Als Ignatius später, zum Manne
herangewachsen, der kriegerischen Laufbahn aus den
bekannten Gründen entsagte, begab er sich in eine Höhle
zu Mauresa, wo er unter Gebet und Casteiungen lange Zeit
verbrachte. Es erschienen ihm daselbst, wie der Chronist
erzählt, „gar offt die heiligen Engel und sprachen mit ihm;
zu zwantzigmalen fand sich Maria bei ihm ein, ihn zu
unterrichten, und ebenso oft Jesus von Nazaret selbst in
Gestalt und Kleidung, wie er in seinem 30ten Jahre war,
mit bellglänzendem Gesicht und schneeweisser Kleidung/'
(S. 13, 14). — Böse Geister erschienen ihm in Gestalt
einer schimmernden Lichtsäule, oder einer funkelnden
Schlange auf den Strassen zu Rom und Paris. Andere
Gespenster überfielen ihn und würgten ihn, so dass er
tagelang nicht sprechen konnte, und der Chronist berichtet
naiv: — „von eben denen ist er zu wiederholten malen
abgeprigelt worden." (S. 60, 61). — Wenn er in Verzückung
, wir würden sagen: im „trance", war, erschien
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