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Kurze Notizen.
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Gebet auf diesem viel umstrittenen Gebiete (man erinnere
sich an Milner Stephen im April-Hefte 1894 S. 230 ff.)
berühmten Pater Otjez Johann Scergijew, genannt
JKronstadtkija*), an sein Sterbelager kommen Hess und
mit ihm, der, soweit dies noch möglich war, seine letzten,
trotz aller Aerzte bereits tief gesunkenen Kräfte plötzlich
wieder hob und neu belebte, noch am 29. Oktober, dem
Erionerungstage der Katastrophe von Borki, sowie bis zu
seiner Todesstunde um sein leibliches und Seelenheil betete
und sich die heilige Wegzehrung und die letzte Oelung von
ihm reichen Hess. Er ist bei vollem Bewusstsein sanft entschlafen
. Noch am Tage vor des Kaisers Tode erschien ein
steinalter Kosak, der aus weiter Ferne herbeigeeilt
war, um sein „Väterchen den Zaren" durch Besprechung
zu kuriren. Man hat den sich durchaus nicht abweisen
lassen wollenden, gewiss in hohem Rufe stehenden Heiler
leider nicht vorgelassen, sondern nur mit Geldmitteln reichlich
versehen wieder heimgeschickt. Viele Geheimmittel
wurden in letzter Zeit telegraphisch, brieflich und mündlich
zu des Kranken Rettung angeboten. — Schon jetzt sind
alle europäischen Preszstimmen über den Verklärten
dahin einig, dass Er das Beste seines Volkes und Landes
erstrebt und dasselbe auf eine gegen früher weit höhere
Stufe der Entwickelung gehoben hat trotz aller inneren und
äusseren Anfeindungen, und dass Er auch in absolutistischer
Weise ein beständiger Freund des Friedens und der
Gerechtigkeit war und geblieben ist bis zu Seinem
Heimgange. Möge Seinem unsterblichen Geiste nunmehr
der himmlische Friede zu Theil werden! Ueber alle
irdische Macht erhebt sich die Allmacht Gottes. — Sein
ältester Sohn und Thronfolger Nikolaus IL hat sich
bereits durch sein Manifest an sein Volk ebenfalls als
„Friedensfürsten" dokumentirt. Mögen alle guten Geister
Ihn weiter schützen und leiten! — Die vollste Theilnahme
*) Der oben genannte Vater Iwan aus Kronstadt steht in den
vierziger Jahren, soll durch sein unendlich sanftes und kluges Wesen
auf die Leute, die Kranken und Sterbenden, beruhigend einwirken,
Bettler wie Reiche gleich liebreich und brüderlich behandeln, ihre
Ii ande zwischen die seinigen nehmend, geduldig ihre Klagen anhören
und ihnen väterlichen Trost zusprechen. Ali sein Geld verschenke er
an die Armen, so dass seine Pamüie, um nicht Noth zu leiden, sogar
Beschlag auf seinen geistlichen ttehalt legen musste. Das Volk
glaubt, dass seiner Gegenwart Wunder kraft innewohne. Er soll
trotz seiner tiefen Frömmigkeit nicht bigott sein und gern an gesellschaftlichen
Vergnügungen würdig theilnehmen. Selbst Andersgläubige
berufen ihn „in extremis" und bitten um sein hilfreiches Gebet. Er
aber glaubt nicht an seine, sondern nur an Gottes Wundermacht.
Der Sekr. d, Red.
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